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Einführung in die Wirtschaftswissenschaften und den Kapitalismus ...
Oh, wie ich wünschte, dass ich eine Vorlesung wie diese von Prof. Yanis Varoufakis zu Beginn meines eigenen Wirtschaftsstudiums hätte hören können ... Ich habe Jahre gebraucht, um einige der Zusammenhänge, die hier leicht begreifbar aufgearbeitet wurden, zu verstehen ... Jeder, der sich für Wirtschaft interessiert, sollte da mal hineinhören: |
SARS-Cov2: Ursachen - Wirkung - Verantwortlichkeiten
Dieser Verzicht auf Gewohntes macht uns sauer. Es macht uns vor allem demokratieverdrossen, zumal, wenn wir mitbekommen, wie sogenannte Volksvertreter, bislang ausschließlich aus Kreisen der Union, eine Krise, die uns allen Opfer abverlangt, dazu nutzen, um selbst massiv Kasse zu machen. Es kotzt uns an! Mit Recht! Dennoch! Den Kopf zu verlieren, hilft niemandem. Am wenigsten uns selbst. Es geht darum, Ursache und Wirkung sauber zu trennen. Denn nur dann können auch die richtigen Rückschlüsse auf Verantwortlichkeiten gezogen werden. Bei diesem Thema haben wir es mit zwei, voneinander strikt zu trennenden Ursache-Wirkung-Verhältnissen zu tun. Das zu erkennen, halte ich für ausgesprochen wichtig. 1. Virus - LockdownDas Virus agiert nicht, es existiert einfach. Und es funktioniert. D.h., wenn es sich verbreiten kann, dann entfacht es Schaden. Nicht bei allen Menschen, aber bei einigen dafür sehr massiven Schaden. Ergo: Die Ausbreitung muss verhindert werden. Das lässt sich - neben der Impfung - mit eigentlich ganz einfachen Maßnahmen realisieren: Maske, Abstand, Hygiene!Das Problem ist: Viele Leute halten sich nicht daran, und zwar, wie mittlerweile erforscht ist, überwiegend im Privatbereich! Deshalb (und nur deshalb) steigen die Infektionszahlen! Dafür trägt niemand die Verantwortung außer diesen Leuten selbst!!! Und WEIL die Infektionszahlen steigen, gerät die Regierung unter Druck. Sie verschärft die Maßnahmen. Ihr bleibt gar nichts anderes übrig! Bis hin zu Lockdowns! Diese Maßnahmen wiederum bringen Probleme mit sich, doch das ist ein zweiter Ursache - Wirkungs-Kreis. 2. Maßnahmen der Regierung - Katastrophale FolgenWie gesagt, die Regierung MUSS handeln, weil große Teile der Bevölkerung sich nicht verantwortungsvoll genug verhalten.Eine neoliberale Regierung wird immer neoliberale Maßnahmen treffen, also die Großen unterstützen, die Kleinen absaufen lassen. Sie wird immer von unten nach oben umverteilen, denn die Freiheiten für die Mächtigen zu erweitern, heißt, dass diese ihre Macht und ihren Einfluss immer weiter ausdehnen können und sie handeln stets nur im eigenen Interesse. Neoliberalismus ist die Garantie, dass die Mächtigen ihre Interessen durchsetzen können, ist das verbriefte Recht des Stärkeren, ohne Rücksicht auf Verluste. Neoliberalismus führt nachweislich zu Monopolisierung bzw. Oligopolisierung und damit zu Erscheinungen, die von allen Wirtschaftstheorien als negativ eingestuft werden. Denn sie schränken den Wettbewerb ein und führen dazu, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Das ist durch viele offizielle Berichte und Statistiken nachgewiesen. Sämtliche Institutionen der Weltwirtschaft sind mittlerweile voll neoliberal durchgestylt. Wer einen Eindruck davon bekommen möchte, mag sich "Die Anstalt" vom 16.3. zu Gemüte führen (https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-16-maerz-2021-100.html - Link gültig bis 22.3.2022), sollte sich dabei aber der Tatsache bewusst sein, dass in der Sendung nur die Spitze des Eisbergs gezeigt wurde! Was für die WTO gilt, gilt ebenso für die WHO, für die Weltbank, FED, EZB oder Internationalen Währungsfonds - von sogenannten Freihandelsabkommen ganz zu schweigen. Auch die Maßnahmen um die Corona-Krise waren durch die Bank neoliberale:
Hinter diesem System stehen in der Politik Parteien und Personen. In Deutschland unterstützen ausgewiesenermaßen folgende im Bundestag vertretenen Parteien den Neoliberalismus aktiv: SPD, BÜNDNIS90/GRÜNE, UNION, FDP, AfD. Das ist so. Leider! Und diese Parteien werden gewählt. Und wenn sie gewählt sind, machen sie neoliberale Politik! Denn dafür wurden sie gewählt! Sie sagen ja deutlich, wofür sie stehen (außer der SPD, die vor Wahlen schon grundsätzlich links blinkt und nach Wahlen rechts abbiegt). Jeder, der Neoliberalismus wählt, weiß eigentlich oder sollte es zumindest wissen, dass er dann auch Neoliberalismus bekommt. Wer also trägt die Verantwortung dafür, dass wir neoliberal regiert werden? Jeder einzelne Wähler von CSU, CDU, FDP, SPD, Bündnis 90/Grüne und AfD! So einfach ist das. Aber wer fasst sich schon gern an die eigene Nase? Dann sind schon lieber die Anderen schuld ... oder gar der Rechtsstaat ... Was wir aktuell tun können, um die Regierung nicht zu zwingen, der Gemeinschaft mit weiteren neoliberalen Maßnahmen zu schaden: Wir könnten den ersten der beiden Ursache-Wirkungs-Kreise beachten und uns streng an die sogenannten AHA-Regelungen halten, zumindest, bis wir einen ausreichend hohen Impf-Durchsatz erreicht haben. Die Neuseeländer haben vorgemacht, wie es geht, das Land ist, weil man sich dort von vorneherein streng an diese Regeln gehalten hat, heute weitestgehend corona-frei. Die Belohnung für das Durchhaltevermögen ist, dass das öffentliche Leben wieder ziemlich normal läuft, mit Shopping, Konzerten et cetera. Für alle. Was die Neuseeländer hinbekommen - und auch die haben Großstädte! - sollten wir doch auch schaffen. So viel blöder können wir doch gar nicht sein. Oder? |
Grüße, Wünsche und Hoffnungen von einem aus der Basis
Offener Brief an die Parteivorsitzenden der LINKEN, Janine Wissler, Susanne Hennig-Wellsow, sowie den neu gewählten Vorstand der Partei Die LINKE Liebe Genossinnen und Genossen, zunächst einmal möchte ich, ein einfaches Mitglied ohne Amt und Mandat, von Beruf Autor, euch von Herzen zur Wahl als Sprecherinnen beziehungsweise auch den anderen Vorstandsämtern der Partei beglückwünschen. Damit verbunden sind selbstverständlich auch die Wünsche für ein gutes Gelingen und die Hoffnung, dass die LINKE unter dieser neuen Führung unsere Gesellschaft auf einen Aufbruch zu neuen zivilisatorischen Ufern, weg vom Neoliberalismus und zumindest einige echte Schritte in Richtung eines demokratischen Sozialismus vorzubereiten vermag. Eure Aufgabe ist absolut keine einfache. Ganz im Gegenteil! Eure Vorgänger im Amt sind – und das muss man im Hinblick auf die Zielerreichungsquote leider konstatieren – auf diesem Weg noch nicht sonderlich weit gelangt. Doch ein Erfolg ist mittlerweile überlebenswichtig, denn wir brauchen ein radikales Umdenken weg von der „Kultur“ der Ausbeutung, weg von der Herrschaft des Kapitals, weg von Kriegen und Konflikten, weg von der hemmungslosen Plünderung des Planeten hin zur demokratischen, internationalen Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Maß und Ziel. Ohne Zusammenarbeit auf allen Ebenen werden wir die dringenden Probleme der Menschheit wie die Klimakatastrophe oder das Problem der endgültigen Zerstörung der Ressourcen, die uns der Planet (noch) zur Verfügung stellt, niemals in den Griff bekommen. Und wenn diese Probleme nicht gelöst werden, bleiben der Menschheit in ihrer jetzigen Organisationsform auf diesem Planeten wohl nur noch wenige Jahrzehnte … Um die Menschen dieses Landes mehrheitlich auf einer solchen, notwendigen Reise mitzunehmen, müssen sie in einem demokratischen System überzeugt werden. Sie müssen überzeugt werden, dass es zu unserem Ziel keine echte Alternative gibt, wenn die Menschheit als Zivilisation weiterbestehen möchte. Sie müssen davon überzeugt werden, dass die Reise dorthin JETZT angetreten werden muss. Und sie müssen vor allem davon überzeugt werden, dass die LINKE die Kraft hat, diese Ziele umzusetzen und dass Vertrauen in sie gerechtfertigt ist. Wenn nicht die LINKE, wer denn sonst könnte den Kampf für die Gleichwertigkeit der Menschen, für soziale Belange, für ein menschenwürdiges Miteinander, national wie international, und für den Erhalt der Lebensgrundlagen glaubwürdig anführen? Da ist sonst niemand mehr auf weiter Flur. Und deshalb tragt besonders ihr beiden, Susanne und Janine, als die Gesichter der Partei, nun eine exorbitant hohe Verantwortung. Wir – und vor allem nachfolgende Generationen – werden euer Wirken an ihr messen (müssen). Doch … das mit der Glaubwürdigkeit ist momentan ein ernstes Problem. Man kann es gar nicht hoch genug aufhängen und die Politik des letzten Parteivorstands hat möglicherweise nicht gerade dazu beigetragen, den Guthabenstand dieses Kontos aufzufüllen. Glaubwürdigkeit heißt, dass unsere Botschaften, unsere Handlungen in absoluter Übereinstimmung stehen müssen mit den Idealen, die wir vor uns hertragen oder – wie einige politische Gegner sicherlich gehässig anmerken würden – vor uns herzutragen vorgeben. Sie müssen vor allem kongruent erscheinen zu den Personen, die für diese Botschaften und Handlungen im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Glaubwürdigkeit wird eben meist an die Personen geknüpft, die im Namen einer Partei sprechen. Die Popularität einer Genoss*In steht in direktem Verhältnis zu ihrer Glaubwürdigkeit. Und nur sehr wenige Genoss*Innen gelten hierzulande als populär, ergo als glaubwürdig. Dies zu ändern, ist eine eurer vordringlichen Aufgaben. Meines Erachtens sind die Ziele der Partei nur zu erreichen, wenn ihr die Menschen erreicht. Und zwar in einem weitaus größeren Rahmen als bisher. Es geht nicht um 8% oder um 12% der Sitze im Bundestag. Wenn wir wirklich etwas Substanzielles bewegen wollen, müssen wir größer denken: Wir brauchen Zustimmungswerte von 30 oder 40 Prozent! Für den Anfang! Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, sind folgende Schritte meines Erachtens absolut unumgänglich: 1. Wiederherstellung der Einigkeit in der ParteiDie letzten Jahre waren geprägt von Streit und Auseinandersetzung in der Partei. Wir haben uns mittlerweile seit 2016 bis zum heutigen Tag viel mehr mit uns selbst beschäftigt als mit irgendeinem anderen Thema. Natürlich wurde dieser Streit von den Medien genüsslich aufgenommen und hat zu unserer Unpopularität massiv beigetragen. Ach, wenn es bei diesem Konflikt doch nur um Argumente gegangen wäre, doch die öffentliche Wahrnehmung war – und ist nach wie vor – die, dass es um Personen ging, um deren Einfluss und letztlich um … Macht. Machtbesessenheit, wahrgenommen bei einer Partei, die angeblich die Demokratie, mithin also den Respekt gegenüber Andersdenkenden hochhält? Und das soll glaubwürdig sein? Wenn Mandatsträgern wie beispielsweise Bundestagsabgeordneten nahegelegt wird, nicht mehr zu kandidieren, weil sie sich zuvor geweigert haben, ihrer Fraktionsvorsitzenden in den Rücken zu fallen, wird da ernsthaft erwartet, dass das wirklich Glaubwürdigkeit vermittelt? Wenn bestimmte Genoss*Innen, abhängig von ihren Meinungsäußerungen gefördert und andere mundtot gemacht werden, soll das von irgendjemandem als „demokratisch“ und „weltoffen“ aufgefasst werden? Echt jetzt? Wie wir mit uns, wie wir mit der Bevölkerung und ihren Ängsten, wie wir mit politischen Gegnern umgehen, daran werden wir gemessen. Ausrufezeichen! Und da war die Show, wie wir in den letzten Jahren abgeliefert haben, leider eine sehr traurige. Die Menschen sehen womöglich etwas genauer hin, als die (bisherige) Parteispitze das angenommen hat. 2. Anbieten einer Vision von einer besseren GesellschaftIch komme aus einer eher ländlich-rustikalen Gegend in Bayern, in der der „Landesvater“ (= der bayerische Ministerpräsident) noch gern zum „Kini“ (= König) stilisiert wird. Wer hier einen Infostand macht, muss darauf vorbereitet sein, dass die Mehrheit der dort abgelassenen Kommentare irgendetwas mit „SED“, „DDR“ (wahlweise mit „2.0“ als Nachsilbe), „Einschränkung der Reisefreiheit“, „Mangelwirtschaft“, „Staatsversagen“ und „Schießbefehl“ zu tun haben. Da hilft auch der Verweis nichts, dass die LINKE als einzige Partei eine historische Kommission zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte eingerichtet hat. Das geht rechts rein und links wieder raus. „Ihr wollt Sozialismus, das steht in eurem eigenen Parteiprogramm. Jeder weiß, dass Sozialismus noch nirgendwo in der Welt je funktioniert hat.“ Wer da versuchen wollte, den Begriff des Sozialismus zu erklären und dass die LINKE mitnichten einen „real existierenden“, sondern einen demokratischen Sozialismus anstrebt, steht bereits auf verlorenem Posten.Dann gibt es da noch eine andere Gruppe, die die Partei nicht anhand falsch verstandener Begrifflichkeiten be- beziehungsweise verurteilt. Von dieser Gruppe kommt dafür gern der Vorwurf, dass wir, wie die Repräsentanten alle anderen Parteien, auch nur auf Stimmenfang gehen, um an die Fleischtöpfe der Eliten heranzukommen. So, wie man das schon bei den GRÜNEN erlebt hat. Das ist die Gruppe der Politikverdrossenen, die der LINKEN nicht zutraut, menschlich „besser“, also gemeinwohlorientierter zu handeln als, sagen wir, eine SPD. Dann gibt es da noch die durchaus zahlreichen Stimmen, die sagen „Wenn Sahra Wagenknecht Kanzlerin werden würde, wäre das geil. Doch leider ist sie in der falschen Partei.“ Das ist der Satz, der mich persönlich ganz besonders traurig macht. Denn ich weiß, dass Sahra in der einzig richtigen Partei ist. Aber ich erlebe auch, dass sie und ihre Arbeit dort nicht unbedingt willkommen sind – wobei wir wieder bei Punkt 1 wären, weshalb ich diesen Punkt an dieser Stelle nicht weiterverfolge. Es gibt natürlich auch Sympathisanten; auch auf Leute, die offen sind und in der Lage zuzuhören, trifft man hin und wieder. Doch die überwiegende Reaktion ist – so empfinde ich das jedenfalls – Ablehnung. Bis hinein in die eigene Familie, in der diese Partei sich allergrößten Misstrauens – aus einem oder mehreren der genannten Gründe – sicher sein kann. Die Schuld für dieses Misstrauen uns gegenüber kann man gerne der übermächtigen Propaganda unserer politischen Gegner oder einer im vorauseilenden Gehorsam schreibenden, uns nicht gewogenen Presse zuschreiben. Doch … damit würde man es sich zu einfach machen. Das Problem sind wir selbst und unsere Kommunikation. Bis heute haben wir es nicht vermocht, den Menschen im Lande eine Vision davon anzubieten, wie wir uns die Gesellschaft von morgen – und damit meine ich nicht die in 200 Jahren, sondern innerhalb weniger Jahre, falls die Bevölkerung uns das Mandat dafür anvertraut – vorstellen. Demokratischer Sozialismus … gut und schön. Einige kennen das Konzept. Der überwiegende Teil der Bevölkerung kennt es nicht. Und der fürchtet sich davor, weil er das Wort Sozialismus eben mit Schießbefehl und DDR assoziiert. Wir können uns zwar darüber ärgern und diese Menschen als böswillige Ignoranten abtun, hilfreich ist so eine Haltung in einer Demokratie aber eher nicht. Wir haben unseren Job einfach nicht gut gemacht, wenn solche Assoziationen noch immer in den Köpfen herumspuken. Wir haben versäumt zu erklären, wie das System, das wir uns vorstellen, ganz konkret aussehen soll. Warum können wir nicht erklären, dass ein demokratischer Sozialismus entsprechend unserer Ausrichtung, absolut grundgesetzkonform sein kann und wird? Wir sollten darüber hinaus erklären:
Vor allem müssen wir ehrlich sein. Denen, die uns sagen, dass wir nur an die Fleischtöpfe der Eliten heranwollen, müssen wir klar und glaubwürdig darlegen, dass wir eben gerade darauf hinarbeiten, dass es mit uns keine Eliten und keine Fleischtöpfe mehr geben wird. Es sei denn, Fleischtöpfe für alle, aber auch nur dann, wenn solche klimaneutral und unter Tierwohlgesichtspunkten auf den Tisch gebracht werden können. Ehrlich sein, heißt auch, dass, wer Wasser predigt, auch selbst nur Wasser trinkt. Eine Genoss*In, die sich in dieser Beziehung eines Fehlverhaltens schuldig macht, muss sich unabhängig von Person / bisherigen Verdiensten öffentlich für ihr Fehlverhalten verantworten. Vertrauen wird ausschließlich durch Transparenz gewonnen und dass einige gleicher sind als andere, ist für eine Partei mit unserem Anspruch untragbar. Wenn wir selbst nicht unsere schärfsten Kritiker sind und unser Verhalten nicht ständig an den Maßstäben unserer Ideale messen, werden wir niemanden davon überzeugen, dass es uns ernst ist mit der Errichtung einer „besseren Welt“. 3. Weg von einer Sprache der Ratio hin zu einer Sprache der HerzenDass Funktionäre der LINKEN eine Sprache verwenden, die abgehoben ist und die von unserer ureigenen „Zielgruppe“ weit entfernt ist, weil diese sich in unseren Aussagen nicht mehr wiederfindet, wurde inzwischen oft genug thematisiert. Konkrete Konsequenzen daraus wurden jedoch bislang nicht gezogen. Noch immer werden Menschen, die in prekären Verhältnissen leben und die sich davor fürchten, dass weiterer Zuzug aus dem Ausland ihre Chancen beispielsweise auf dem Wohnungs- oder Arbeitsmarkt weiterhin verschlechtert, gern als Ausländerfeinde oder Rassisten diffamiert. Als ob man das Problem auf diese Weise lösen könnte. Was man damit lösen kann, ist die Hoffnung, die diese Menschen in unsere Partei setzen, da sonst ja niemand für sie einsteht. Allzu oft sind wir uns dessen nicht bewusst, welche Botschaften wir aussenden. Ja, ich gehe noch einen Schritt weiter: Wir mögen uns rational und wissenschaftsorientiert dünken, doch gerade die Erkenntnisse der Sprachwissenschaft der letzten Jahrzehnte hat keine Partei so gekonnt ignoriert wie die LINKE. Und ihre Parteispitze an allervorderster Front. Wir haben keine Ahnung von Framing, also den Bedeutungsrahmen, in die wir unsere Botschaften packen. Wir haben nicht verinnerlicht, dass die allermeisten Menschen nachweislich politische Entscheidungen eben gerade nicht auf der Basis der Ratio treffen, sondern auf Basis von Gefühlen, auf der Basis von Wertekomplexen. Wir sind uns dessen nicht bewusst geworden, dass wir die Botschaften unserer politischen Gegner nicht nur unbewusst verbreiten, sondern sie uns auch zu eigen machen, wenn wir deren Kampfbegriffe wie beispielsweise das Wort „Steuerbelastung“ auch nur in den Mund nehmen. Wir sind uns auch nicht der Tatsache bewusst, dass es Reizwörter gibt, die man wirklich niemals verwenden sollte, weil diese gegen das Wertesystem der meisten Zuhörer verstoßen. „Enteignen“ ist beispielsweise ein solches Wort. Man verknüpft es beim Hören automatisch mit „wegnehmen“ oder gar „stehlen“. Das ist ein Framing, das dem Wertesystem der meisten entgegensteht, die – übrigens in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz – davon ausgehen, dass eine der Kernaufgaben des Staates der Schutz des Eigentums ist. Wie kann man denn nur Leute auf eine Weise ansprechen, indem man Begriffe verwendet, die im Gegensatz zu deren Wertesystem stehen und erwarten, dass die einem dann auch noch freudig folgen? Wir LINKE können das. Ohne Rücksicht auf Verluste. Macht uns das stark? Nicht wirklich, oder?Ich will an dieser Stelle nicht anregen, dass wir manche Dinge nicht mehr sagen sollten. Doch, sagt sie immer frisch raus! Aber achtet dabei auf eure Worte und seid euch stets der Wirkung der von euch verwendeten Frames bewusst! Erzählt Geschichten, mit denen die Menschen draußen sich identifizieren können! Ich will auch nicht über Sprachwissenschaft oder über Framing dozieren. Das steht mir als interessiertem Laien einfach nicht zu. Aber ich möchte eure Sensibilität für das Thema wachrufen. Denn nur, wenn unsere Botschaften widerspruchsfrei zum Wertesystem der Angesprochenen sind, wenn diese Botschaften glaubwürdig übermittelt werden und wenn sie bei unserer Zielgruppe auch verstanden werden (was wiederum zwingend voraussetzt, dass wir zuvor versuchen, unsere Zielgruppe zu verstehen), dann erst haben wir eine Chance, diese auch von uns und unseren Botschaften zu überzeugen. Und nur dann! Die bisherigen Parteivorstände und Berufspolitiker aus unseren Reihen haben meines Erachtens den Themenkomplex „Sprache“ viel zu lange vernachlässigt, während Leute wie Erdogan oder Trump sich deren Möglichkeiten längst aktiv zunutze gemacht haben. Leider mit großem Erfolg. Sprache richtig einzusetzen, ist nicht rechtsextrem, es ist auch nicht populistisch. Es ist vielmehr notwendig. Denn die Protagonisten des Neoliberalismus nutzen die Sprache schon seit Jahrzehnten erfolgreich als Waffe gegen Demokratie und Sozialstaat. Es ist dringend an der Zeit, dass die LINKE sich den Möglichkeiten, die diese „Waffe“ eröffnet, nicht länger verschließt, um diesen Manipulationen Botschaften entgegenzusetzen, die „ankommen“. Einen abschließenden Rat möchte ich euch mitgeben: Vielleicht könnt ihr die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling (https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Wehling) für einen Vortrag / ein Seminar für den Parteivorstand gewinnen, in dem sie die Grundzüge des Framings erläutert. Es gibt zur Einstimmung auch diverse Interviews dieser bemerkenswerten Frau im Internet zu finden, beispielsweise beim Deutschlandfunk. Sprachwissenschaft ist gern komplex formuliert, doch Frau Wehling bemüht sich um eine möglichst gute Verständlichkeit ihrer Ausführungen, daher empfehle ich sie. Meines Erachtens gehören die Erkenntnisse, die dort vermittelt werden, zu den Grundlagen, mit denen jeder Berufspolitiker sich dringend befassen sollte. Es wäre schön, wenn zumindest dieser Parteivorstand ein Bewusstsein für diese überaus wichtige Thematik entwickeln könnte. In ihr liegt nicht weniger als der Schlüssel zu gelungener Kommunikation! 4. FazitEs geht mir nicht um Besserwisserei. Oder darum, Claims abzustecken. Oder darum, euch in eine bestimmte Ecke zu bugsieren. Es geht einzig und allein darum, ein Bewusstsein für die dringend anstehenden Aufgaben zu entwickeln. Die Lösung dieser Aufgaben wäre die Voraussetzung für einen nachhaltigen Erfolg dieser Partei. Das Potenzial hat sie, nun liegt es an euch, ob sie es nutzen kann. Mir ist bewusst, dass diese Aufgaben eine menschliche Größe erfordern, die man nicht einem oder einer jeden abverlangen kann. Euch wird sie abverlangt, denn der Parteitag hat auch das Vertrauen ausgesprochen und erwartet, dass ihr die Partei in die Zukunft führt. Viel hängt nun von euch ab und davon, ob ihr dieser Erwartungshaltung gewachsen seid. Meiner Ansicht nach habt ihr alle das Zeug, den Zug gemeinsam auf das richtige Gleis zu bugsieren und die Lokomotive so richtig zu beheizen. Lasst euch bitte nicht von dieser Aufgabe ablenken, stellt den Zug aufs Gleis und fahrt los! Mit Volldampf! Ich danke für eure Aufmerksamkeit!Love and Peace! Germering, 6.3.2021 Ulrich Seibert (KV Amper, Bayern) |
100 Jahre Summerhill - ein vergessenes Kapitel
Die Schule, an die ich anlässlich ihres 100. Jahrs ihres Bestehens erinnern möchte, nennt sich selbst: „A.S. Neill's Summerhill School“ und ihr Slogan lautet ebenso frech wie selbstbewusst: „Founded in 1921 still ahead of its time“, auf Deutsch: „1921 gegründet und noch immer ihrer Zeit voraus.“ Dieser Anspruch könnte gerechtfertigt sein. Leider wird über solche Schulen und die ihnen zugrundeliegenden Prinzipien heute nicht mehr diskutiert, weshalb diese Schule leider außerhalb ihres Wirkungskreises in England höchstens bei aufgeschlossenen Pädagogen noch bekannt ist. Kennengelernt habe ich diese Schule in meiner eigenen Kindheit … durch ein Kinderbuch. Es ist nach wie vor erhältlich, wurde von niemandem Geringeren als Harry Rowohlt ins Deutsche übersetzt und heißt: „Die Grüne Wolke“, Originaltitel: „The Last Man Alive“. Dieses Buch fand ich im Alter von 10 Jahren so faszinierend, dass ich es gleich mehrfach gelesen habe. Erst vor wenigen Monaten habe ich es wieder hervorgekramt und fand es auch als Erwachsender höchst unterhaltsam, was daran liegt, dass das Buch auf mehreren Ebenen funktioniert: Viele Aspekte davon sprechen nur oder überwiegend Kinder an, es gibt aber auch jede Menge humorvolle und historische Anspielungen, die ein Kind noch gar nicht verstehen kann, die dafür aber einem Erwachsenen, zum Beispiel dem, der das Buch seinem Kind vorliest, Vergnügen bereiten.Was konkret nun fand ich damals so faszinierend an dem Buch? Drei Dinge, im Wesentlichen: Nummer eins war die Geschichte, die so ganz anders war als das typische Kinderbuch sie hergab. Es geht um eine Schulklasse (eben aus dieser Summerhill-Schule), die auf einen Ausflug mit dem Luftschiff eines mit dem Schulleiter befreundeten, sehr dicken amerikanischen Millionärs eingeladen werden. Sie steigen hoch und immer höher, bis sie über den Wolken fliegen, die, wie sie mit Befremden feststellen, unnatürlich grün gefärbt sind. Zurück auf der Erde stellen sie fest, dass alle Menschen (nicht dagegen Pflanzen oder Tiere) zu Stein verwandelt wurden. Die weitere Handlung dreht sich nun darum, wie die Kinder sich das Leben nach dieser Apokalypse einrichten, wie sie mit versagenden Tiefkühltruhen, dem fehlenden Schutz einer Zivilisation und Aggressionen umgehen. Auch wenn das Thema ein drastisches ist, der Erzähler würzt die Geschichte mit einer kräftigen Portion Humor, selbstverständlich britisch-schwarzem. Warum die Geschichte so anders ist? Keine Moralin-Säure, keine Konventionen zwängen sie in irgendein Korsett. Wenn ein Kid Lust hat, mit einer MP herumzuballern oder kräftig zu fluchen, dann tut es das auch. Kritik an solchem Verhalten kommt, aber auf andere Weise als der Leser vielleicht erwarten würde. Selbst mit dem Tod, auch dem eigenen, werden die Protagonisten und damit auch die Leser auf lebhafte Weise (falls mir das Wortspiel erlaubt ist …) konfrontiert. Nummer zwei: Dass diese Schule völlig anders ist als alle anderen Schulen, besonders bezogen auf den Umgang, den Lehrer und Schüler miteinander pflegen und den Situationen, die sich daraus ergeben, hörte sich für einen Zehnjährigen überaus reizvoll an. Denn Kinder dürfen nicht nur Kinder sein, sie werden sogar als solche respektiert. Und nicht nur das: Der Erzähler ist seiner Zeit so weit voraus, dass er das damalige Rollenverständnis von Mädchen und Jungs nicht nur thematisiert, sondern auch aufbricht, was aber nicht heißt, dass die herkömmlichen Rollen einfach verschwinden würden. Ein Mädchen hat durchaus die Wahl, ob es in einer Situation lieber schmollt, ihre weiblichen Reize einsetzt oder sich – ganz unmädchenhaft – eine MP schnappt, um ein Problem zu lösen. Was nicht bedeutet, dass es keine Autorität gäbe, der Erzähler – einer der beiden überlebenden Erwachsenen – bemüht sich durchaus um eine gewisse Autorität, die er sich teils zu erobern vermag, teilweise aber auch am Versuch gnadenlos scheitert. Für ein Kind enthält die Erkenntnis, dass es auch andere Lebensmodelle gibt, als sich unbedingt der Autorität von Eltern und Erwachsenen zu unterwerfen, durchaus eine gewisse Attraktivität. Nummer drei: Die Geschichte wurde 1938 veröffentlicht. Mündlich erzählt wurde sie vielleicht ein/zwei Jahre früher, was der / die Leser/in in den historischen Anspielungen auf Nazi-Deutschland oder Franco-Spanien durchaus mitbekommt. Der Autor hat aber nicht nur die Geschichte selbst aufgeschrieben, sondern auch die Reaktionen der Kinder, die selbstverständlich alle auch Protagonisten waren, darauf festgehalten. Die Kinder konnten auf den weiteren Verlauf der Geschichte also einen erheblichen Einfluss nehmen und sparten auch nicht an Kritik. Diese Diskussionen sowie der Umgang des Schulleiters mit dieser Kritik sind ebenso bemerkenswert wie die Geschichte selbst. Diese Geschichte von der „grünen Wolke“ zeigt durchaus ein repräsentatives Abbild dessen, wie es in dieser Schule in Summerhill zuging und übrigens bis heute noch immer zugeht. Und noch immer leitet eine Nachfahrin des Gründers Alexander Sutherland Neills, der gleichzeitig auch der Erzähler dieser Geschichte ist, diese private Institution, die nach so ganz anderen Regeln spielt als sie im traditionellen Schulbetrieb, auch in England, üblich sind. Was sind nun die grundlegenden Prinzipien in Summerhill? A.S. Neill bezeichnet sein Konzept als „selbstregulative Erziehung“ nach dem Prinzip „freie Erziehung“, was auf keinen Fall zu verwechseln wäre mit „frei von Erziehung“, wie das in den Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts gern propagiert wurde. Folgende Rahmenbedingungen, die sicherstellen sollen, dass jedes Kind sich in die Richtung entwickeln kann, die es für sich als die richtige erkennt, gelten bis heute in dieser Schule: Das Prinzip der Gleichberechtigung von Kindern und Erwachsenen und demokratische Strukturen. Keine Schulbehörde, kein Elternbeirat und auch nicht der Schulleiter bestimmen, wo es in der Schule langgeht. Das machen Kinder und Lehrkräfte quasi unter sich aus. Dafür gibt es eine Reihe von Schulinstitutionen. Als die beiden wichtigsten wären einmal zu nennen das „General Meeting“, das einmal pro Woche stattfindet und in dem Schüler und Lehrer gleichberechtigt über das Regelwerk der kommenden Woche entscheiden. Alles steht dabei zur Disposition mit wenigen Ausnahmen, die die Felder Gesundheit, Verwaltung, Sicherheit und Alkoholverbot betreffen. Dieses Meeting stellt quasi die Legislative dar. Die Judikative ist repräsentiert im sogenannten „Tribunal“, in dem einmal wöchentlich Probleme diskutiert werden. Auch hier sind Schüler und Lehrer gleichermaßen stimmberechtigt, sowohl Schüler als auch Lehrer müssen sich bei vermeintlichen oder echten Regelverstößen hier verantworten und können dementsprechend verurteilt werden. Die Strafen sind mit Geschirrspülen und Aushelfen in der Theater AG allerdings recht drakonisch, sodass Regelverstöße sicherlich nicht allzu oft vorkommen. Alle Ämter werden durch Wahlen besetzt, werden immer nur für eine begrenzte Zeit pro Person besetzt und können auf demokratischem Weg notfalls auch wieder entzogen werden. Machtmissbrauch kann somit kaum stattfinden. Der Unterrichtsbesuch ist freiwillig Kein Kind wird dazu gezwungen, ins Klassenzimmer zu kommen oder anderweitig am Unterricht teilzunehmen. Wenn es gerade etwas Interessanteres zu tun hat oder einfach gar nichts tun möchte, liegt das allein in der Entscheidung des Kindes selbst. Das Klassenzimmer ist nicht (notwendigerweise) das Zentrum des Unterrichts. Lernen ist nicht davon abhängig, wo ein Kind sich gerade befindet. Lernen kann ebenso stattfinden in Werkstätten, in Aufenthaltsräumen oder in der freien Natur. Die Interaktion zwischen dem Lernstoff einerseits und dem Geschehen um die Kinder herum ist ein wesentliches Element. Viele Schüler sind im Nachhinein begeistert von ihrer Schule und senden gerne ihren eigenen Nachwuchs dorthin. Und obwohl sich die Schulabgänger nicht unbedingt auffällig verhalten oder zu „Assozialen“ mutieren, sondern sich regelmäßig zu höchst angesehenen Mitgliedern der Gesellschaft entwickeln, hat die Summerhill School im Laufe ihrer hundert Jahre unglaublich viel Gegenwind erfahren, beginnend bei einer ungewöhnlich hohen Inspektionsrate durch die Schulbehörden bis hin zu Schließungsverfügungen und gezielten Diskreditierungen. Dass konservativen Kräften ein freiheitliches, nach demokratischen Regeln selbstbestimmtes Schulsystem ein Dorn im Auge ist, verwundert nicht wirklich. Gleichwohl hat die Schule von A.S. Neill all diese Fährnisse bislang wohlbehalten überstanden. Sie stellt noch immer ein Leuchtfeuer dar im Meer der pädagogischen Diskussionen und könnte nach wie vor ein durchaus geeignetes Modell sein für künftige Zeiten. Wie gesagt: „Founded in 1921 still ahead of its time.“ Mir bleibt nur, herzlich zu gratulieren! P.S.: Das Foto zeigt A.S. Neill bei einer Geburtstagsfeier, die nicht mehr datiert werden kann, aufgenommen von seiner Tochter Zoë Readhead (zur lizenzfreien Verwendung freigegeben). Es zeigt den Protagonisten dabei, wie er gerade im Begriff ist, eine der wenigen undemokratischen Regeln, die er in Summerhill installiert hat, nämlich das Alkoholverbot, etwas großzügiger auszulegen ... ;-) Links: · http://www.summerhillschool.co.uk/ · https://eudec.org/network/member-schools/summerhill-school/ · https://de.wikipedia.org/wiki/Summerhill |
Dürfen Muslime uns verbieten, am Islam zu zweifeln?
In Frankreich haben Muslime in Bezug auf die Mohammed-Karikaturen, wegen derer kürzlich ein französischer Lehrer enthauptet wurde, gefordert, dass Frankreich, um eine gewisse Brüderlichkeit zu seinen muslimischen Mitbewohnern zu bewahren, auf gewisse Rechte verzichten solle. Läuft es in diesem Kulturkampf also darauf hinaus: Entweder wir bewahren uns die Meinungsfreiheit, riskieren damit aber, eine ganze Minderheitengruppe zu beleidigen? Wie weit darf oder muss unsere Toleranz gehen, um die Gegensätze miteinander zu versöhnen? Im Gegensatz zu Frankreich ist Deutschland nicht gerade ein Musterbeispiel für gelebte Laizität, also eine strikte Trennung zwischen Staat und Religion. Unter Demokratiegesichtspunkten einerseits, aber auch unter Gleichwertigkeits- und Gleichbehandlungsgrundsätzen andererseits müsste Laizität eigentlich das Ideal eines jeden Staats sein, der sich der Demokratie verpflichtet fühlt. Daran kann es keinen Zweifel geben. Denn wenn eine oder auch mehrere Religionen „gleicher“ als andere sind, um es mit George Orwell zu formulieren, dadurch, dass zum Beispiel eine Religion durch speziellen Unterricht gefördert wird oder dadurch, dass der Staat für eine Religionsgemeinschaft eigene Steuern eintreibt, entsteht ein Ungleichgewicht, verändert dies den Einfluss bestimmter Religionen beziehungsweise ihrer „Würdenträger“ und dies widerspricht der Gleichwertigkeit der Religionen und in gewisser Weise damit auch der Religionsfreiheit. Und doch könnte der Spalt, der durch die Gesellschaft geht, in Frankreich, aber auch in Deutschland, durch diesen Konflikt durchaus noch größer werden. Eine schwierige Situation. Einerseits wollen wir ganz sicher niemanden bewusst beleidigen. Auch habe ich muslimische Freunde, die ich sehr schätze und daher schon gar nicht beleidigen möchte. Andererseits möchte ich auch die Religionsfreiheit nicht missen und diese sehe ich gerade in großer Gefahr. Nicht, weil ich ein religiöser Mensch wäre. Sondern ganz im Gegenteil, gerade, weil ich persönlich mit keiner Religion etwas anfangen kann. Gut, das sollte ich präziser formulieren: Ich schätze Religionen prinzipiell sehr, denn sie können sehr viele Menschen dabei unterstützen, ihren moralischen Kompass auszurichten, sie können ihnen auch die Angst vor dem Tod nehmen, ihnen die Pflicht zur gelebten Empathie auferlegen und ihnen ein Gefühl der Verbundenheit mit der Gesellschaft, in der sie leben, vermitteln. Religionen, zumal die großen Weltreligionen, deren Hauptbotschaft die Liebe und der Respekt anderen gegenüber ist, könnte ein positiver Effekt kaum abgesprochen werden … wären da nicht die vielen Menschen, die schon immer in der Geschichte der Menschheit – zum großen Teil erfolgreich – versucht haben, Religion dafür zu missbrauchen, andere Menschen für ihre eigenen Zwecke und Machtgelüste zu manipulieren und Religion als ihr persönliches Machtwerkzeug zu missbrauchen. Diesen stehe ich höchst kritisch gegenüber, egal ob es sich um Muslime, indische Gurus oder Würdenträger aus dem Vatikan handelt. Und ich spiele damit auf niemanden Konkreten an. Warum fühle ich als areligiöser Mensch mich also bedroht von einer Einschränkung der Religionsfreiheit? Weil Religionsfreiheit nicht nur bedeutet, nach Herzenswunsch einer Religion anzuhängen und sei sie in den Augen Anderer auch noch so abstrus. Sie bedeutet auch und vor allem, an einer Religion zweifeln zu dürfen. Und zwar an jeder Religion, am Judentum, am Christentum, am Hinduismus et cetera et cetera. Auch am Islam und an der Übermittlung der göttlichen Botschaft an Mohammed durch den Erzengel Gabriel! Und wer den Zweifel zulassen will, muss, wenn ihm die Meinungsfreiheit mindestens ebenso wichtig ist wie die Religionsfreiheit, auch zulassen, dass dieser Zweifel öffentlich artikuliert werden darf. Und es darf auch keine Beschränkung geben in der Art und Weise, wie solche Zweifel artikuliert werden. Unter diesen Gesichtspunkten sehe ich Macron völlig im Recht, wenn er am Recht auf Meinungs- und Religionsfreiheit, die das Recht Karikaturen von Mohammed, Jesus oder Moses anzufertigen, einschließen, verteidigt. Es ist auch sein Job als Präsident, die Verfassung seines Landes zu schützen. Nur haben wir dann wieder das Problem, dass wir unsere muslimischen Schwestern und Brüder (und ich meine diese Begriffe nicht ironisch!) damit beleidigen, ohne es eigentlich zu wollen. Karikaturen von Religionsstiftern und religiösen Sitten hat es immer gegeben. Beispielsweise im Satire-Magazin MAD gab es in meiner Jugend Dutzende von Karikaturen über Moses und die Teilung des Meeres oder Noah und seine Arche und ich habe nie vernommen, dass der Zentralrat der Juden sich darüber echauffiert hätte. Den Monty-Python-Film „Das Leben des Brian“, das man durchaus auch als eine Jesus-Karikatur sehen kann, führte zwar zu Kontroversen und auch zu wütenden Protesten religiöser Eiferer, aber letztlich haben sich die Kirchen auf einen liberalen Standpunkt dazu zurückgezogen. Und das war gut so, nicht nur, weil dieser Film wirklich lustig ist. Nur … viele Muslime haben überwiegend damit ein Problem, dass Mohammed karikiert wird (ich kenne selbst einen, der damit nicht das geringste Problem hat, man möge sich also vor Verallgemeinerung hüten). Sie haben damit aber auch ein Problem am Zweifel Andersgläubiger. Und mit dem Verbot, einen solchen Zweifel zu äußern, wollen sie, bewusst oder unbewusst, ihre eigene Religion für sakrosankt erklären und ihr auf die Weise einen höheren Status verschaffen als allen anderen Religionen. Verständlich aus Sicht der Anhänger einer Religion, aber auch legitim? Liebe Muslime, entschuldigt bitte, aber das geht nicht. Das Recht, einen solchen Sonderstatus für euch und euren Glauben zu fordern, habt ihr in einer Demokratie, die sich ihre Spielregeln im Wesentlichen selbst gegeben hat und nach diesen leben möchte, einfach nicht. In Ländern, in denen ihr die Spielregeln bestimmt und solche Regeln in eure Verfassungen schreiben könnt, tut es immerhin. Ich fände es zwar nicht gut, aber es ist ja eure Verfassung und eure Regeln, nach denen ihr mehrheitlich leben wollt. Denkt dabei aber bitte daran, dass echte Demokratie nicht nur das Diktat der Mehrheit bedeutet, sondern auch den Schutz von Minderheiten berücksichtigt. Auch hierzulande gilt Minderheitenschutz und auch wir haben euch als Minderheit zu respektieren. Was wir auch gerne tun. Aber nicht auf Kosten unserer verfassungsmäßigen Freiheiten. Diese sind ein zu hohes Gut, um es auf dem Parkett der Eitelkeiten zu opfern. Intoleranz zu tolerieren, wird immer nur den Effekt haben, die Toleranz letztlich abzuschaffen. Wollt ihr das wirklich? Die gesellschaftliche Konsequenz könnte nämlich auch sein, dass es gerade die Toleranz gegenüber dem Islam ist, die darunter leidet. Vielleicht hilft ja doch … eine kleine Prise Humor? Humor kann ein ebenso heilsamer Seelenbalsam sein, wie die Religion. Nur ein nett gemeinter Vorschlag. |
Polizei - dein Freund und Gegner?
Momentan, geschuldet der Tötung des Schwarzen George Floyd in Minneapolis, kochen die Emotionen bezüglich der Polizei gerade mal wieder hoch. Dies ist sicher nicht das erste Mal, doch jetzt könnte sich tatsächlich etwas ändern. Nicht nur in den USA werden strukturelle Änderungen vorbereitet, die institutionellen Rassismus und Polizeigewalt eindämmen (sollen). Doch schon kommen unsere Law & Order-Politiker aus ihren Löchern und schreien Zeter und Mordio, relativieren die Tat ("Sicher, eine tragische Entgleisung, aber man darf ja auch nicht vergessen, dass dieser Floyd ein notorischer Gewaltverbrecher war") - da wird ganz offen um Verständnis für solche Polizisten geworben. Unfassbar! Wieder andere betonen das hohe Vertrauen, das unsere Polizei genießt und die gute Arbeit, die eine überwiegende Mehrheit von Polizisten leisten, was solche Maßnahmen völlig überflüssig erscheinen lassen soll. Und dann gibt es noch die Extremisten, die, wie das Trampeltier Donald, eine ominöse Antifa für alles verantwortlich macht. Doch solche Argumentationen sind ebenso fehl am Platz wie eine pauschale Verteufelung der Sicherheitsbehörden. Denn hier geht es nicht um Pro oder Contra in Bezug auf die Polizei! Es geht um ganz konkrete Missstände und um den politischen Willen und die Möglichkeiten, diese in den Griff zu bekommen. Es geht nicht um Schuldzuweisungen oder um Pauschaldiskreditierung. Welches sind nun diese Missstände? Kritisiert werden momentan überwiegend drei, der erste gerade etwas weniger als noch vor einige Wochen:
Alle drei Punkte sind Fakten, für jeden davon können mit einer Suchmaschine Dutzende Belege aus seriösen Medien recherchiert werden. Das heißt nun wie gesagt nicht, dass ALLE Polizisten rechtsradikal, Rassisten oder gewalttätig wären. Aber einige sind es. Sie missbrauchen ihre Macht. Das ist menschlich. Dass Macht korrumpiert, wussten schon die alten Römer. Umso wichtiger ist es in einem Rechtsstaat, dass der Missbrauch von Macht durch Exekutivorgane transparent gemacht werden und geahndet werden kann. Es ist nicht nur wichtig, es ist eine essenzielle Voraussetzung für das Funktionieren des Rechtsstaats. Rechtsextremismus hat in der Exekutive nichts zu suchen. Rassismus ebenso wenig. Und den gibt es. Eine schwarze Sängerin, mit der ich lange in einer Band zusammengespielt habe, hatte Angst, mit dem Auto nach München zu fahren, weil sie auf dem Nachhauseweg, nachts, fast jedesmal von der Polizei gestoppt und kontrolliert wurde. Meine letzte Polizeikontrolle fand dagegen vor 30 Jahren im Rahmen einer Terrorismusfahndung in Regensburg statt, insgesamt bin ich in den 40 Jahren, seit denen ich nun über eine Fahrerlaubnis verfüge, dreimal kontrolliert worden. Fremdländisch aussehende Schwäger von mir werden an U-/S-Bahnhöfen im Schnitt zehnmal so oft kontrolliert wie ich. Alles Einzelfälle? Sehr unwahrscheinlich. Das fremdländische Aussehen allein macht bereits verdächtig und das erfüllt eindeutig den Tatbestand des Rassismus. Und wenn dieser in Ausbildungen gelehrt wird, ist er institutionell. Abhilfe tut also not. Ganz besonders hervorzuheben ist das Problem des Corps-Geistes, das sich stets dort herausbildet, wo Menschen eng zusammenarbeiten und sich unbedingt aufeinander verlassen können müssen. Er ist unvermeidlich und in gewissen Kreisen sicherlich auch nicht ganz unerwünscht. Polizisten haben gemäß diesem Corps-Geist gefälligst nicht gegen ihresgleichen zu ermitteln oder auszusagen. Doch solch Verhalten ist unter rechtsstaatlichen Aspekten fehl am Platz, wenn Vergehen oder gar Verbrechen, die ein Staatsdiener im Dienst begeht, verschleiert werden und die Aufklärung vereitelt wird (und ich sehe unverhältnismäßige Polizeigewalt oder beispielsweise das Einschleusen von Agents Provocateurs in Demonstrationen, die der Polizei einen Anlass liefern sollen, eine Demonstration gewaltsam aufzulösen, mit der Mehrheit der Rechtsexperten als illegal an). Und das geschieht ständig. Nur zwei Prozent aller Anzeigen wegen Staatsgewalt landen vor Gericht, nur ein Prozent führt zu einer Verurteilung. Ein Kläger braucht schon sehr viel Glück, dass es genügend Zeugen / Überwachungskameras gibt, die eine Überreaktion der Polizei dokumentieren konnten, um in einem solchen Prozess Gerechtigkeit zu erfahren. Deshalb wird nur ein kleiner Teil solcher Übergriffe überhaupt zur Anzeige gebracht. Und das darf nicht sein. Die Polizei darf keine Behörde sein, in der Willkür als ein probates Mittel der Wahl erscheint. Die Polizei dient der Bevölkerung, nicht umgekehrt! Die Polizei hat rechtsstaatliche Prinzipien durchzusetzen, nicht sie zu pervertieren. Somit wiegt das Interesse der Bevölkerung an guter Polizeiarbeit höher als das Interesse der Polizisten auf von der Öffentlichkeit ungestörtes Agieren. Und gerade, wenn man dem Argument folgt (und ich bin mehr als gewillt, das zu tun), dass die überwiegende Mehrheit der Polizisten ihren Beruf anständig und ordnungsgemäß ausübt, der dürfte mit einer dringend nötigen Modernisierung der Sicherheitsbehörden überhaupt kein Problem haben. Denn "gute" Polizisten müssen sich dann nicht mehr gegen ihr Gewissen einem perversen Corps-Geist unterordnen, wenn sie selbst nicht mehr gegen eigene Kollegen ermitteln müssen und bei Aussagen gegen Kollegen keine Nachteile zu gewärtigen haben. Wer sich gegen solche Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit stellt, muss sich also schon eine Frage nach seiner Motivation gefallen lassen ...
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ANGST – warum haben speziell wir Deutschen so viel davon?
Crime-watch ... Peter Altmaier in Aktion
Wäre das nicht eine geile Idee für eine Reality-TV-Serie? Schwerverbrechern live bei der Arbeit zuzusehen? Dann wäre das hier eine Folge davon. In dieser Rede geht es um ein Verbrechen an der Demokratie und den Menschen. Dieser Mann, Peter Altmaier (CDU), ist so infam, ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte! Dass er hier lügt wie gedruckt, dass die Reallöhne mit der Entwicklung des BIP in keiner Weise mitgehalten haben, dass es so viel Altersarmut gibt wie nie zuvor, dass es Tafeln in Rekordzahl gibt, die mit der steigenden Nachfrage gar nicht mehr hinterherkommen, geschenkt. Zur Erklärung der hier gezeigten Vorgänge: Vor zehn Jahren wurde die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert. Das bedeutet, dass der Schuldenaufnahmekapazität des Staates enge Grenzen gesetzt wurden. Hört sich ja zunächst einmal sehr gut an, denn die Schulden sind ja gleichzeitig eine Belastung kommender Generationen und es macht Sinn, diese nicht ins Unermessliche ansteigen zu lassen. Doch der Hintergedanke war ein völlig anderer: damit wurde Neoliberalismus, eines der rechtsextremsten Wirtschaftssysteme der Menschheitsgeschichte, fest in der Verfassung der Bundesrepublik verankert. Selbst wenn eine Regierung zurück zum Keynesianismus ("Soziale Marktwirtschaft") wollte, sie könnte das gar nicht mehr. Wegen der Schuldenbremse. Denn Keynesianismus setzt an der wirtschaftlichen Gesamtnachfrage an. Wenn der private Sektor nicht ausreichend nachfrägt, dann greift der Staat ein, investiert, vergibt Aufträge und die stagnierende Wirtschaft kommt wieder in Schwung. Doch dafür braucht der Staat Geld. Das holt er sich von den Wirtschaftsteilnehmern in Boomzeiten durch Steuern zurück und spart es für Notzeiten an bzw. zahlt seine Schulden zurück. Damit werden Booms sicherlich abgebremst, aber Rezessionen werden ebenfalls deutlich abgemildert. Das nennt man antizyklische Wirtschaftspolitik, die die Hochs und Tiefs der Wirtschaft etwas nivelliert, sodass es gerade bei mittelständischen Firmen nicht so schnell zu Zusammenbrüchen kommt. Monetarismus, die Theorie des Vaters des Neoliberalismus, Milton Friedman, dagegen, setzt nur auf Geldpolitik. Allein die von den Zentralbanken in Umlauf gegebene Geldmenge soll zusammen mit dem allmächtigen Markt alles richten. Das ist natürlich großer Blödsinn. Als man das während der Ölkrise 1973 versucht hat, ging es voll in die Hose, es hat die Krise nicht gelöst, sondern sogar massiv verschärft. Und mittlerweile hat die EZB die Hosen runtergelassen. Ihre Geldpolitik ist wirkungslos, inzwischen wurden sogar Negativzinsen eingerichtet, um den großen Crash zu vertagen. Doch der WIRD kommen und das bald. Deshalb fordern die EZB und der IWF, beides Institute fest in der Hand von Neoliberalen, von den europäischen Regierungen höhere Staatsinvestitionen ... Keynesianismus halt. Doch ... Deutschland DARF dank der Schuldenbremse gar nicht mehr liefern ... Somit sind die Parteien, die daran mitgewirkt haben, unmittelbar verantwortlich dafür, dass die kommende Krise nicht mehr abgemildert werden kann. OBWOHL sie wissen, dass Monetarismus ein Rohrkrepierer ist, haben sie jegliche Alternative gesperrt. Dadurch werden auch hierzulande sehr viele Menschen ins Elend gestoßen werden. Aber als ob das nicht genug wäre, fordert Altmaier jetzt ZUSÄTZLICH noch eine im Grundgesetz verankerte Deckelung der Sozialabgaben. Bedeutet, dass, sobald die Krise da ist, diejenigen, die dann arbeitslos sind, sehr, SEHR hart auf dem Boden der Realität aufschlagen werden. Und wer profitiert davon, dass Sozialabgaben niedrig sind und bleiben müssen? Na, schon draufgekommen? Die Väter des Grundgesetzes haben gezielt offen gelassen, welches Wirtschaftssystem Deutschland sich geben möchte, denn die Regierung sollte flexibel genug sein, sich an geänderte Gegebenheiten anzupassen. MIT den Stimmen der SPD (!!! - und das sollte man niemals vergessen!) wurde das System des Neoliberalismus verfassungsrechtlich verankert. Und Altmaier arbeitet in bester neoliberaler Tradition an der weiteren Demontage des Sozialstaates. --- Teil 2 einer solchen Fernsehserie wäre dann Olaf Scholz (SPD), dessen Verstrickungen in die Cum Ex-Affaire jetzt bekannt geworden sind. Offenbar hat der Mann aktiv und gegen besseres Wissen dahin gehend gewirkt, dass die Warburg-Bank die zu Unrecht kassierte Kapitalertragsteuer-Erstattung wegen Verjährung nicht zurückerstatten muss ... Und niemand bringt den Mann vor Gericht! Geschweige denn, dass er von seinem Amt als Finanzminister zurücktritt ... Ja, ist die Welt denn ein Irrenhaus?? Ja, ist sie! --> "Die Diktatur des Monetariats" - https://www.bod.de/buchshop/die-diktatur-des-monetariats-ulrich-seibert-9783741242656 |
Chile: Geburtsort des Neoliberalismus ... und Sterbeort?
1973, genauer gesagt am 11. September 1973 wurde in Chile die gewählte Regierung unter Salvador Allende von der CIA mit Hilfe eines chilenischen Generals, Augusto Pinochet, weggeputscht. Es folgten Jahrzehnte der Militärdiktatur zusammen mit der Einführung eines Systems, das widerständische chilenische Wirtschaftswissenschaftler "neoliberalismo" genannt haben. Dieses System hat mittlerweile fast die ganze Welt erobert. Nur wenige Staaten halten noch dagegen, darunter China. Unter anderem ist einer der Hintergründe des Handelskriegs zwischen den USA und China der, dass China sich weigert, den Neoliberalismus ins eigene Land zu lassen. In den vielen Videos aus Chile können wir momentan live zusehen, was geschieht, wenn einem Volk der Kragen platzt. Und der platzt völlig zu Recht. Obwohl Chile eines der reichsten Länder in Südamerika ist, ist der Reichtum extrem ungleich verteilt. Und die Ausplünderung des Volkes geht unvermindert weiter. Die Menschen müssen (!) in eine mittlerweile privatisierte Rentenversicherung einzahlen, die zum Selbstbedienungsladen für die Superreichen mutiert ist: Gerade mal 37% der eingezahlten Beträge werden im Durchschnitt wieder ausgezahlt, der Rest versickert in "Verwaltungsausgaben" und ... Profiten. Strom und Wasser wurden ebenfalls privatisiert, die Preise dafür (übrigens auch für Lebensmittel) steigen munter weiter und weiter, während die Löhne auf einem sehr niedrigen Niveau (im Durchschnitt umgerechnet 500 € pro Monat) stagnieren. Menschenwürdiges Leben ist für die Meisten in Chile mittlerweile gar nicht mehr möglich - es sei denn natürlich, man gehört zu dem kleinen Kreis der Privilegierten - wie die Abgeordneten, deren Wohlverhalten man sich mittels Monatsdiäten von umgerechnet 15.000 € versichert hat. Was geschehen wird, ist kaum vorhersagbar. Ich drücke den Chilenen jedenfalls den Daumen, ach was, sämtliche Daumen, dass sie sich nicht mit einer kleinen Korrektur zufrieden geben, sondern solange kämpfen, bis die Macht der Superreichen gebrochen wurde. Ist ja nicht so, dass es keine Alternativen zum Neoliberalismus gäbe ... selbst wenn man im System des Kapitalismus bleiben wollte, wäre jede andere kapitalistische Konzeption des 20. Jahrhunderts wesentlich besser als das Recht des Stärkeren, das im Neoliberalismus verankert ist. Nur Monetarismus, die Theorie Milton Friedmans (der auch als Vater des Neoliberalismus bezeichnet werden kann), hat sich ebenfalls als Rohrkrepierer erwiesen. Die wenigsten neoliberalen Akteure würden dies zugeben, doch es ist ein Fakt, dass die EZB und die EU-Kommission längst am Ende ihrer monetaristischen Weisheit angelangt sind und sich bereits wieder auf keynesianische Maßnahmen verlegt haben, denn nichts anderes hilft wohl mehr. Neoliberalismus hat sich aus Chile in die Welt verbreitet, auch sein Ende könnte nun von Chile ausgehen. Auch wenn sich das jetzt pathetisch anhört, aber dass dies geschieht, ist vermutlich die letzte Hoffnung der Menschheit, ihre globalen Probleme - und damit ihre eigene Existenz - in den Griff zu bekommen. Denn ohne massive Investitionen lässt sich weder die Klimakatastrophe aufhalten, noch das aktuellen Artensterben beenden, noch die mittlerweile riesigen Todeszonen in den Weltmeeren wieder zum Leben erwecken. Und solche Investitionen lassen sich einfach nicht durchführen, ohne dass man den Superreichen den Reichtum, den diese sich in den letzten Jahrzehnten ergaunert haben, wieder abnimmt. Das chilenische Volk könnte somit zum Retter der gesamten Menschheit werden. Der Flächenbrand hat, gerade in Südamerika, wo der Neoliberalismus schon am längsten wütet, soeben erst begonnen. Er wird sich womöglich rasch ausbreiten ... er wird auch in Deutschland ankommen, es ist nur eine Frage der Zeit, vielleicht zwei Jahre, vielleicht noch zehn Jahre, aber er wird kommen ... und dann stellt sich die Frage, die Frage an euch, liebe Superreiche, die Erich Kästner 1930 auf so unvergleichliche Weise formuliert hat in seiner "Ansprache an Millionäre": bis sie euren geschminkten Frauen und euch und den Marmorpuppen im Garten eins über den Schädel hauen? Warum wollt ihr euch denn nicht bessern? Bald werden sie über die Freitreppen drängen und euch erstechen mit Küchenmessern und an die Fenster hängen. Sie werden euch in die Flüsse jagen. Sinnlos werden dann Schrei und Gebet sein. Sie werden euch die Köpfe abschlagen. Dann wird es zu spät sein. Dann wird sich der Strahl der Springbrunnen röten. Dann stellen sie euch an die Gartenmauern. Sie werden kommen und schweigen und töten. Niemand wird über euch trauern. Wie lange wollt ihr euch weiter bereichern? Wie lange wollt ihr aus Gold und Papieren Rollen und Bündel und Barren speichern? Ihr werdet alles verlieren. Ihr seid die Herrn von Maschinen und Ländern. Ihr habt das Geld und die Macht genommen. Warum wollt ihr die Welt nicht ändern, bevor sie kommen? Ihr sollt ja gar nicht aus Güte handeln! Ihr seid nicht gut. Und auch sie sind’s nicht. Nicht euch, aber die Welt zu verwandeln, ist eure Pflicht! Der Mensch ist schlecht. Er bleibt es künftig. Ihr sollt euch keine Flügel anheften. Ihr sollt nicht gut sein, sondern vernünftig. Wir sprechen von Geschäften. Ihr helft, wenn ihr halft, nicht etwa nur ihnen. Man kann sich, auch wenn man gibt, beschenken. Die Welt verbessern und dran verdienen – das lohnt, drüber nachzudenken. Macht Steppen fruchtbar. Befehlt. Legt Gleise. Organisiert den Umbau der Welt! Ach, gäbe es nur ein Dutzend Weise mit sehr viel Geld… Ihr seid nicht klug. Ihr wollt noch warten. Uns tut es leid. Ihr werdet’s bereuen. Schickt aus dem Himmel paar Ansichtskarten! Es wird uns freuen. |
Die politisch korrekte (?) Berichterstattung des BR ...
Es wird Zeit für ein Outing. Ja, ich gestehe! Ich lasse mich morgens von einem Radiowecker wecken, auf dem Bayern 5 eingestellt ist. 15 Minuten Nachrichten von diesem Sender gebe ich mir, um wach zu werden. Manchmal geht das mit dem Wachwerden auch deutlich schneller. So wie heute, dann, wenn ich mich ärgere. Und das wiederum ist beim "bayerischen Staatssender" nun nicht allzu selten. Denn Nachrichten dort werden nur allzu oft auf die Sicht der hier regierenden CSU hingetrimmt. Man will als Angestellter des BR ja verständlicherweise keinen Ärger mit dem Intendanten Ulrich Wilhem, der als CSU-Mitglied direkt von einem politischen Posten (u.a. verbeamteter Staatssekretär als Regierungssprecher von Angela Merkel) auf den Intendantensessel wechselte und damit einen Tiefpunkt für die von Grundgesetz und Bundesverfassungsgericht geforderte Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Sender von der Politik markierte. In Bayern geht sowas nicht nur, solche Art der Postenvergabe wird hier im Ländle auch durchaus nicht als unanständig angesehen. Jedenfalls nicht von der CSU oder ihren Anhängern. Die Meldung, die mich heute aus dem Schlummer riss, war wieder ein Paradebeispiel einer politisch hochgradig verfärbten Meldung, dieses Mal aus Santiago de Chile, der Hauptstadt des Landes, das 1973 durch einen vom CIA herbeigeführten Putsch als erstes Land der Welt neoliberal wurde. Politisch korrekt wurden einige Fakten präsentiert, politisch völlig unkorrekt einige andere weggelassen, leider ... die entscheidenden. In der Meldung hörte sich das Ganze dann so an: "Große, gewaltsame Aufstände in Santiago de Chile: Supermärkte wurden geplündert und angezündet, U-Bahn-Stationen des größten und modernsten U-Bahn-Netzes in Südamerika wurden zerstört. Viele Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Und all das (nur) wegen einer Preiserhöhung bei einem U-Bahn-Ticket von umgerechnet 1,00 € auf 1,04 €!?!?". Subtext: Die sind völlig verrückt geworden, die Chilenen ... Anhand dieser Faktenpräsentation bleibt ja auch gar keine andere Schlussfolgerung. Wenn wegen 4 Cent für eine U-Bahnfahrt Menschen zu Tode kommen und riesige Sachzerstörungen passieren, ist das mit normalem Menschenverstand einfach nicht zu begreifen. Also wäre die einzig logische Konsequenz, dass "die Chilenen" keinen Menschenverstand besitzen, oder? Aber es ist halt nicht so. Mit nur ein klein wenig Hintergrundinfo könnte aus dieser Nachricht eine werden, die das Geschehnis in einen sinnvollen Kontext setzt, doch sind gerade diese Hintergrundinfos politisch völlig inopportun und werden daher gar nicht erst gebracht. Chile ist eines der reichsten Länder Südamerikas. Das neoliberale Wirtschaftssystem und das damit einhergehende Militärregime des Augusto Pinochet kostete zwar sehr viele Menschen das Leben, zwang Abertausende dazu, das Land zu verlassen, aber es führte auch dazu, dass Chile heute als einziges Land in Südamerika als Industrienation anerkannt ist und somit das einzige südamerikanische OECD-Mitglied ist. Das ist einfach nachprüfbar. Ebenso nachprüfbar ist aber auch, dass dieser Reichtum in höchstem Maße ungleich verteilt ist. Während eine Handvoll Superreicher fast alles im Lande besitzt, bleiben für eine große Mehrheit gerade mal ein paar Krümel übrig. Selbst Staatsbedienstete erhalten nicht ihre volle zugesagte Rente, weil der Staat einfach kein Geld hat, um diese auszuzahlen. Und er hat kein Geld, weil die "Politik der klammen Kassen" ein neoliberales Mantra ist, denn wenn die Staatskassen klamm sind, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Reichen weniger von ihren Profiten mit der Allgemeinheit teilen müssen. Auch das ist nachprüfbar. Von solcherlei Fakten isoliert zeigt die oben zitierte Meldung, wie aus einem winzigen Tropfen eine zerstörerische Flut entsteht, was kaum jemand nachvollziehen kann. Dass dieser Tropfen aber derjenige ist, der ein riesiges Fass zum Überlaufen gebracht hat, das wäre die politisch korrekte Version dieser Meldung gewesen ... Danke BR, für so "viel" journalistische Kompetenz! |