Die staatsparteiliche Sprachpolizei
So, nun ist es also passiert: Die CSU und die Freien Wähler haben (in Bayern) den staatlichen Stellen das Gendern mit Sonderzeichen bei Strafandrohung verboten. Sie hat damit genau das gemacht, was sie anderen Parteien, insbesondere den GRÜNEN, stets zum Vorwurf macht. Denn keine andere Partei hat den Menschen bisher Vorschriften gemacht, wie sie schreiben oder sprechen müssen. Das ist ein Novum seitens der CSU und der FW. Ganz ehrlich, kann man die eigene Scheinheiligkeit eigentlich noch offensichtlicher demonstrieren als in diesem Fall?
Man möchte über diesen Schildbürgerstreich des bayerischen Kabinetts so richtig herzlich lachen. So wie man über die Bürger von Schilda gelacht hat. Nur ist das Lachen im Falle von Schilda ein unbelastetes, in diesem Fall bleibt es einem dagegen im Halse stecken und das gleich aus zwei Gründen.
Erstens haben wissenschaftliche Studien sehr eindeutig festgestellt, dass unsere Sprache, jedenfalls, wenn nicht gegendert wird, einen deutlichen Bias zugunsten des männlichen Geschlechts aufweist. Und nicht nur unsere, auch beispielsweise die englische oder die spanische. Nicht mehr dagegen die schwedische, denn unsere nördlichen Nachbarn haben das Problem bereits vor vielen Jahren erkannt und wenn auch nach heftigen Diskussionen so immerhin sehr elegant gelöst. Undenkbar bei uns, wir behelfen uns lieber mit notdürftigen und uneleganten Krücken wie den Gender-Doppelpünktchen oder -Sternchen, weil selbst die eifrigsten Genderer und Genderinnen eine echte Diskussion zum Thema irgendwie nicht zu wollen scheinen.
Unabhängig davon bleibt es ein Fakt, dass die ungegenderte Sprache patriarchalische Strukturen aufweist, die dementsprechend auch patriarchalisches Denken befördert. Eine Partei, die die Aufhebung des Patriarchats dediziert nicht will, scheint ihre Gründe dafür zu haben, über die ich hier nicht mutmaßen möchte. Insbesondere die CSUlerinnen und die Freien Wählerinnen (bewusst ohne Gendersternchen) sollten sich nur einen Moment mal fragen, was das für ihre eigene Rolle in Staat und Partei bedeutet: Die absolute Gleichstellung bleibt ihnen verwehrt. Wenn das für euch akzeptabel ist, Mädels, ist das in Ordnung, die meisten Frauen in der Bevölkerung dürften das allerdings eher nicht akzeptabel finden. Das ist nicht nur um mindestens 50 Jahre rückwärtsgewandt, es ist vielmehr ein Skandal. Wieder einmal setzt der buchstäbliche weiße, alte Mann seine Vorherrschaftsfantasien durch.
Maler: Wilhelm von Diez (1839–1907); (c) Public Domain
Der zweite Grund ist weitaus übler. Man könnte vielleicht unterstellen, dass die CSU und FW-Minister*Innen (jetzt erst recht … 😁) naive Bierdimpfln seien, die halt einfach nur nicht wahrhaben wollen oder intellektuell nicht begreifen können, dass Sprache sich in der Geschichte schon immer von unten nach oben entwickelt hat und nur eher selten andersherum. Frau kann Sprache nicht vorschreiben, sie entwickelt sich nach einem urdemokratischen Prinzip. Mit dem Gendern war es nicht anders, das hat ja auch nicht die Duden-Redaktion erfunden. Es kam mitten aus der Bevölkerung und hat sich mittlerweile breit durchgesetzt, so breit, dass es der CSU und den FW jetzt Angst zu machen scheint. Aber das kennen wir von Rechten, das sind oft schon furchtbare Angsthasen, alles, was sie nicht kennen und nicht verstehen, ist ihnen ein Gräuel und gehört ergo weg.
Doch diese Schlussfolgerung mit den Bierdimpfln wäre dann doch zu einfach. Denn die Maßgeblichen wissen sehr wohl, was sie tun. Wenn sie es nicht wüssten, hätten sie „Fehlverhalten“ nicht unter Strafe gestellt. Dann hätte eine Richtlinie, sich doch bitte an den Duden zu halten, vollauf genügt. Denn das, eine Art staatliche Gewalt, und sei es auch nur die Androhung derselben, ist in der Tat das einzige Mittel, um Sprache wirksam zu kontrollieren. Das Problem? Diese Machenschaft wendet sich gegen den demokratischen Grundgedanken und gegen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Dass die freie Meinungsäußerung in Behörden nicht erwünscht ist, geschenkt, doch dieses Verbot gilt halt mal auch für Schulen und Universitäten! Dementsprechend gibt es in keinem Rechtsstaat der Welt verbindliche Sprachregelungen, sondern nur in Autokratien oder Diktaturen. Unter Putin riskiert man die Verhaftung, wenn man den Krieg gegen die Ukraine Krieg nennt. Und das Propagandaministerium unter Goebbels war zur Zeit der Nationalsozialisten besonders eifrig darin, den gleichgeschalteten Medien verbindliche Sprachregelungen aufzuzwingen und wehe dem Medium, in dem dagegen verstoßen wurde! Die CSU und ganz besonders die FW mit einem Vorsitzenden mit Antisemitismus-Hintergrund, täten gut daran, sich diesen Sachverhalt mal vor Augen zu führen … und daraus zu lernen. Denn sonst wird als Nächstes verboten, Witze über den bayerischen Ministerpräsidenten zu machen / zu erzählen ...
Der Geist der CSU und der FW ist kein demokratischer, es ist ein autokratischer. Und das sind Tendenzen, die in einem Rechtsstaat definitiv nichts verloren haben. Meine persönliche Meinung zum Gendern ist bekannt (BLOG-Beitrag aus 2015; BLOG-Beitrag aus 2023). Will sagen, ich mache es nicht besonders gerne. Aber unter solchen Umständen wird Widerstand zur Pflicht und nichts wird mich jetzt davon abhalten, Leute, die es verdient haben, als Arschlöch*In zu bezeichnen. Darauf ein Prosit (mit Cannabis, natürlich)!