Brauche eine Erklärung! Wie genau macht die Ampel die Wirtschaft kaputt?

Jede(r) regelmäßige Leser*In meines BLOGS weiß, dass ich absolut kein Fan von SPD und GRÜNEN bin. Das hängt mit der Unaufrichtigkeit zusammen, die ich bei diesen zwei Parteien ausmache. Die Union und die FDP machen zwar – für die breite Bevölkerung – eine ebenso katastrophale, vielleicht noch schlimmere Politik, wie / als die Erstgenannten, aber sie stehen wenigstens zu dem, was sie tun. Sie kündigen die Sauereien, die sie vorhaben, sogar meist ehrlich an, wer sie wählt, ist ganz klar selber schuld an den Konsequenzen. An den Taten lassen sich Menschen und Gruppen messen. Und die SPD gibt sich demokratisch und sozial, handelt aber in Regierungsverantwortung meist nicht nach ihren eigenen Grundsätzen. Die GRÜNEN stammten ursprünglich aus der Friedensbewegung und haben ihre Wurzeln völlig aufgegeben, heute ist es eine Partei von Kriegstreibern und Anti-Demokraten (s. Haltung zu Julian Assange). Das ist hart formuliert, aber wer bereit ist, Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit zugunsten der Bündnistreue zu den USA zu schleifen, kann nicht ernsthaft demokratisch gesinnt sein, das ist ein Widerspruch in sich.

Warum also erhebe ausgerechnet ich hier und jetzt die Stimme zugunsten der Ampel? Weil ich noch Schlimmeres als die Ampelpolitik hinter aktuellen Meldungen vermute. Diese aktuellen Meldungen besagen, dass die Wirtschaft massiv abrutscht, dass die Ampel die Betriebe ruinieren würde, dass sie sich ins Ausland absetzen würden, et cetera. Beispiel vom BR: https://www.youtube.com/watch?v=aYJ4Vy7fs1w

In beinahe allen Leitmedien wird verkündet, dass die deutsche Wirtschaft auf dem absteigenden Ast sei, dass die Hütte brenne, dass Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig sei, dass Unternehmen abwandern würden.

Als ein Mensch, der generell erst mal nicht alles glaubt, was geschrieben steht und speziell als einer, der Wirtschaft studiert hat, bin ich der Frage nachgegangen, woran konkret die Medien diese Entwicklung festmachen. Immerhin gibt es Indizes, die die erwartete Entwicklung abbilden. Der Ifo-Geschäftsklima-Index, zum Beispiel. Der bewegt sich seit zwei Jahren im Wesentlichen nicht vom Fleck. Keine wesentliche Steigerung, aber auch kein Absinken. Nun, dieser Index ist sehr unscharf, denn in ihm sind die Erwartungen von Managern für die Zukunft abgebildet. Ich wurde selbst früher vom Ifo-Institut darum gebeten, meine Meinung kundzutun. Darin stecken persönliche Prognosen über die Entwicklung der gesamten Wirtschaft einerseits, und des eigenen Unternehmens andererseits.

Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1307/umfrage/entwicklung-monatswerte-des-ifo-geschaeftsklimaindex/

Gut, Manager können sich ebenso irren wie jeder andere und auf einen Abstieg weist der Index momentan jedenfalls nicht hin. Sehen wir uns also lieber etwas Substanzielles an. Den DAX! Der DAX bildet die Gewinnerwartungen der Anleger bei den 40 größten Unternehmen des deutschen Aktienmarktes ab. Gewinnerwartungen! Im Wesentlichen also nichts anderes als der Ifo-Geschäftsklima-Index, aber mit einigen Unterschieden, unter anderem dem: Leute (oft auch automatisierte Analyse-/Broking-Systeme) wetten mit realem Geld auf diese Erwartungen. Wenn ein Analyst zu der Schlussfolgerung kommt, dass beispielsweise BMW im nächsten Jahr einen höheren Gewinn machen wird als bisher allgemein angenommen, wird er BMW-Aktien kaufen, denn, wenn die Erwartung sich realiter erfüllt, winken ihm zusätzliche Gewinne, sei es in Form von Kursgewinnen oder in Form von Gewinnausschüttungen. Hier ein Bild der DAX-Entwicklung von 2019 bis Januar 2024:

Wenn man sich den DAX also ansieht, so lag der vor dem Ukraine-Krieg bei im Schnitt 16.000 Punkten. Während des Kriegs ging er massiv nach unten (Tiefpunkt im Oktober 2022) und seitdem steigt er wieder kontinuierlich an. Vor einem Jahr (!) stand er wieder auf dem Niveau von vor dem Krieg. Inzwischen bewegt er sich kurz vor der 18.000er-Marke und steuert damit auf ein neues Allzeit-Hoch zu (lt. Tagesschau).

Wir haben also einen neuen Rekord bei den Gewinnerwartungen in Deutschland und trotzdem kolportieren die Leit-Medien übereinstimmend, dass die Ampel die Wirtschaft kaputtmacht. Wie genau passen diese Infos zusammen? Was stimmt denn nun? Auf Basis welcher Informationen genau fällt die Wirtschaftsprognose der Medien-Analysten so schlecht aus?

Die Energiepreise werden gern genannt, dass die so hoch seien. Okay. Nachgeprüft. Stimmt nicht! Die Gaspreise für Verbraucher etwa liegen mittlerweile wieder auf dem Niveau von vor dem Ukraine-Krieg, sogar etwas darunter. Sie könnten noch niedriger sein, sicher. Aber man hat sich halt EU-weit darauf geeinigt, dass der CO2-Anstieg gedrosselt werden soll und dass dies über Marktmechanismen geregelt werden soll. Mit anderen Worten: wer mehr fossile Brennstoffe verbraucht, soll mehr dafür bezahlen (gerade erst ist die CO2-Abgabe planmäßig erhöht worden), das soll einen Anreiz bilden, in erneuerbare Energien zu investieren und diese im Verhältnis billiger machen. Das sind Lösungen, die übrigens ganz besonders von der Union und der FDP hochgehalten werden, wie Vertreter dieser Parteien mir (und Professor Dr. Dr. Helge Peukert) höchstpersönlich anlässlich von Radio-Interviews zum Bundestagswahlkampf 2021 versichert haben. Hat also mit der Ampel nichts zu tun.

Über zu viel Bürokratie wird geklagt. Ja, stimmt schon, die Regulierungswut ist ungebremst und sie geht überwiegend von der EU aus und wird hierzulande in geltendes Recht umgewandelt. Und wer hat momentan das Sagen in der EU? Die EVP, die Europäische Volkspartei, die die aktuelle Kommissionspräsidentin stellt. Das wären hier in Deutschland die CDU und die CSU. Beide keine Mitglieder der Ampel-Koalition.

Steigende Insolvenz-Zahlen werden genannt. Stimmt, um mehr als 20% ist die Zahl der Insolvenzen 2024 gestiegen. Aber wer diese Zahlen nennt, sollte auch die Insolvenzgründe nennen können. Ich selbst habe steigende Insolvenzzahlen für die Zeit vorhergesagt, wenn die EZB, die Europäischen Zentralbank, die Leitzinsen wieder anhebt, dafür musste man allerdings auch kein Hellseher sein. Die Wirtschaft hat auf Pump gelebt, fast zehn Jahre lang. Schon vor 2016 schwächelte die Konjunktur europaweit massiv. Das war übrigens auch nicht unter der Ampel, sondern unter Kanzlerin Merkel. CDU, nebenbei gesagt. Aber sie selbst hatte mit der „Medizin“, die verabreicht wurde, nur mittelbar zu tun, die Entscheidung, die Geldmenge erheblich auszuweiten und die Leitzinsen auf null zu senken, lag bei der stramm neoliberal ausgerichteten Führung der EZB. Bedeutete, dass schwächelnde Unternehmen sich nun sehr preiswert Geld besorgen konnten, an das sie vorher nicht zu vergleichbaren Konditionen herangekommen wären. Sie konnten damit weitermachen, obwohl sie unter normalen Umständen (also, wenn sie marktübliche Zinsen auf das von ihnen aufgenommene Fremdkapital hätten bezahlen müssen) nicht mehr überlebensfähig gewesen wären. Man kann sich dieses geldpolitische Instrument als eine Art künstlichen Beatmungs-Apparat für Komapatienten vorstellen, die ohne dieses Gerät früher oder später ohnehin abgenibbelt wären. Finanziert wurde dieses Geschenk an die Unternehmen (es profitierten ja alle davon, nicht nur die schwächelnden) übrigens unter anderem auf Kosten von (Klein)Sparern, die man einfach mal um ein Erhebliches enteignet hat, weil die Zinsen, die sie (nicht) bekamen, in jedem Fall unter der Inflationsrate lagen und das Vermögen einiger sogar zusätzlich durch Strafzinsen gemindert wurde.

Als dann 2022 – auch im Zuge der Folgen des Ukraine-Kriegs – die Inflation auf neue Rekordmarken stieg, musste die EZB eingreifen und die Zinsen wieder deutlich erhöhen. Mit anderen Worten, das Beatmungsgerät wurde abgeschaltet, der Strom dafür wurde an anderer Stelle dringender benötigt. Dass einige der Patienten im Zuge dessen versterben würden, sobald sie die Konsequenzen zu spüren bekämen, war abzusehen und logisch. Aber wer für marktwirtschaftliche Mechanismen ist, muss das nun mal in Kauf nehmen, „survival of the fittest“ ist da hochoffiziell angesagt. All das hat mit der Politik der Ampel aber auch nur insofern zu tun, als man für eigenes Versagen gern mal Andere verantwortlich macht und wer liegt da näher als die Grünen? Die sind momentan so unpopulär und an so vielem schuld, da kommt es auf ein paar Insolvenzen mehr oder weniger jetzt auch nicht mehr an. Die Ursache für diese Entwicklung liegt in vielen Faktoren begründet, unter anderem in der monetaristischen Theorie eines der Begründer des Neoliberalismus, Milton Friedman, die dem Staat gar keine anderen Markteingriffe zugesteht als über die Geldmengensteuerung (daher der Name Monetarismus).

Also, warum schießen sich alle auf die Ampel ein und machen sie für eine Entwicklung verantwortlich, die sie bei allen Fehlern, für die man sie verantwortlich machen kann nun nachweislich wirklich nicht auf dem Kerbholz hat?

Ich kann hier nur mutmaßen. Die Forderungen, die aus der Wirtschaft und von ihr verbundenen Einrichtungen wie dem Ifo-Institut erhoben werden, weisen allerdings in eine ziemlich eindeutige Richtung. Sie entsprechen altbekannten neoliberalen Argumentationsmustern. Was sind das für Forderungen?

Fazit: Es sind dieselben neoliberalen Forderungen, die seit Jahrzehnten immer auf dasselbe Ziel hinführen: Umverteilung von unten nach oben. Und unsere Leitmedien schließen sich diesem Ziel – ebenso seit Jahrzehnten – völlig unkritisch an. Und zu allem Überfluss spielen sie dabei mit dem Feuer: Denn diese „Berichterstattung“ über angebliches Politikversagen schürt Ängste und fördert die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung. Dies wiederum stärkt rechtsextreme Kräfte wie die AfD. Ist ein wenig Distanz zu neoliberalen Interessen wirklich zu viel verlangt? Muss ausgerechnet ich als ausgewiesener Kritiker von Rot-Grün jetzt deren Verteidigung übernehmen? Schande über euch!