Google / Amazon: Was sind Rezensionen wert?

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Wer kennt das nicht? Man braucht etwas Spezielles, einen Facharzt, eine Autowerkstätte, eine Hundeschule, ein Produkt, irgendetwas, mit dem man sich nie zuvor beschäftigt hat. Man möchte gute Qualität, vor allem möchte man nicht übers Ohr gehauen werden, eine Gefahr, die umso größer wird, je weniger man sich mit der Sache auskennt. Was tun? 

Früher hätte man sich bei Freunden und Verwandten erkundigt, ob jemand einschlägige Erfahrungen sammeln konnte oder ob sie jemanden kennen, den man fragen könnte. Das war nicht so super zuverlässig, weil der Erfahrungsschatz der Befragten naturgemäß in der Regel beschränkt ist (wie viele Autowerkstätten im Umkreis von 40 km wird jemand schon ausgetestet haben und woher nimmt er die Expertise, darüber ein qualifiziertes Urteil abzugeben?). Heute ist alles viiiiel besser, heute haben wir das Internet und sind auf derlei unqualifizierte Mundpropaganda nicht mehr angewiesen, nicht wahr? Wenn ich einen neuen Schwemmdämpfer für den Hyperantrieb meines Raumschiffes benötige, schaue ich einfach bei Amazon in die entsprechende Produktseite und sehe die Rezensionen zu dem Produkt und kann mir über die Links zu vergleichbaren Produkten auch ansehen, was Käufer über diese denken. Da weiß ich doch gleich, was etwas taugt und was nicht. Oder? Ähnlich bei einer Dienstleistung. Schlimm genug, dass der Fachanwalt 400 € pro Stunde abrechnet, aber bekomme ich für dieses Geld dann wenigstens mein Recht? Auch dafür gibt es Rezensionsportale, unter anderem auf Google Maps.

Doch ... was sind diese Rezensionen wert? Spiegeln sie wirkliche Erfahrungen wider oder steckt dahinter wieder nur eine Werbeindustrie, nach dem Motto: Wer dafür nur genug bezahlt, bekommt auch gute Rezensionen, ganz unabhängig davon, selbstverständlich, ob ein Produkt / eine Dienstleistung wirklich das Geld wert ist?

Zweifel sind angebracht. Und zwar bei guten wie auch bei schlechten Rezensionen. Ich erkenne an, dass beispielsweise Amazon durchaus Bemühungen unternimmt, gefakte Bewertungen herauszufiltern. Mir persönlich ist das nie passiert, denn ich lehne es ab, Rezensionen zu kaufen, aber ich habe aber von Autorenkolleg*Innen gehört, dass Amazon ihre teuer erkauften 5-Sterne-Rezensionen ihrer Bücher einfach kommentarlos gelöscht hätte. Gut so! Jedenfalls, wenn das Löschen von bekannten Fake-Rezensionen durchgängige Praxis wäre. Ist es aber nicht. Ich habe einmal eine Mail bekommen von einem Elektronikhersteller aus China, der mir einen Gutschein über eine zweistellige Summe (ich erinnere mich an die Details nicht so genau und möchte keinen Unsinn schreiben, deshalb bleibe ich vage) angeboten hat für eine 5-Sterne-Bewertung eines Produktes aus seinem Katalog. Ich habe diese Mail postwendend an Amazon weitergeleitet, denn das ist ein klares Angebot zur Genese von Fake-Rezensionen. Ihr wisst vermutlich, dass es nicht so einfach ist, eine Mail an Amazon zu schreiben, also musste ich Umwege in Kauf nehmen, die einen Chat mit einem Amazon-Produktbetreuer beinhalten. Es hat ihn schlichtweg nicht interessiert.

Kann es sein, dass Amazon eine schützende Hand über zahlende Kunden hält? Aber natürlich! Hey, wir leben im Kapitalismus, alles dreht sich um den Umsatz. Wen interessiert da schon die Moral oder die Wahrheit?

Bei Google ist das nicht anders. Ich habe da eine besonders "schöne" Erinnerung an einen Germeringer Facharzt, den ich jetzt einfach mal nur Dr. H. nenne. Der hat mich ziemlich enttäuscht und ich habe auf Google Maps eine Schilderung meiner Erlebnisse hinterlassen, folgenden Wortlauts:

"Zur Kompetenz von Herrn H. kann ich nichts sagen, aber er ist jedenfalls ein effektiver Geschäftsmann. Er ist überzeugend darin, einem Zusatzuntersuchungen zu empfehlen und schnell dabei, das Geld dafür einzusammeln, aber wenn es darum geht, dann den Befund mitzuteilen ... also ich hab das Ergebnis verschiedener Tests bis heute nicht. Wahrscheinlich erwartet er, dass man selber immer wieder nachhakt. Auch werden Befunde trotz Überweisungsschein nicht an den überweisenden Arzt weitergegeben. Servicewüste Deutschland? Hier stimmt's jedenfalls! Nie wieder!"

Der gute Dr. antwortete prompt und behauptete, dass das alles nicht stimme. Diese Antwort hat er später wieder gelöscht. In einer Mail an mich forderte er mich auf, die 2-Sterne-Rezension zurückzuziehen, ansonsten würde er mich verklagen. Und er schickte einen Befund für was-weiß-ich mit, worauf ich die Rezension nach dem zweiten Satz um ein "Edit" erweiterte: (EDIT: Aufgrund dieser Rezi hat er mir ein paar Papiere zugesandt; nur muss man halt Arzt sein, um sie lesen / interpretieren zu können, sie sind für mich somit wertlos)

Da ich auf seine öffentliche Antwort nicht wiederum antworten konnte, erweiterte ich die originale Rezension darüber hinaus um einen Nachtrag:

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Es ist hier offenbar nicht möglich, eine Antwort auf eine Antwort zu geben. Also auf diesem Wege.

Ich weiß nach so langer Zeit nicht mehr, welche Tests Sie gemacht haben, weil ich nicht mitprotokolliert habe. Ich weiß nur, dass ich ein paar Wochen auf die Befunde gewartet habe und das Ding danach vergessen habe. Dass Sie zu besonderen Tests raten, ist völlig in Ordnung, das wurde auch nicht kritisiert. Was mich geärgert hat, war die Thematik, dass sofort Barzahlung zu leisten war und die Leistung Ihrerseits ... muss man jetzt nicht wiederholen. Ich weiß ja nicht, was Sie so für Patienten haben, aber wenn Otto Normalbürger schon einen (kostenpflichtigen) Test macht, dürfen Sie ruhig davon ausgehen, dass er das Ergebnis dann auch wissen / ausgedruckt haben möchte.

Was den Überweisungsschein betrifft, war der nicht vom Hausarzt, sondern von einer Fachärztin und somit war auch der Befund nicht an den Hausarzt, sondern an die Fachärztin zu senden. Diese hat mir jetzt einen neuen Überweisungsschein ausgestellt und gesagt, dass sie nie einen Befund bekommen hätte und dass so ein Verhalten von gewissen Augenärzten ganz normal wäre ... Aus welchem Grund sollte ich meine Rezension ändern? Alles, was ich geschrieben habe, entspricht der Wahrheit ... 

Auch darauf kam eine wütende private Mail vom Herrn Doktor, dass mein Verhalten geschäftsschädigend sei. Ich sah seiner Klage jedenfalls mit großer Gelassenheit entgegen, denn, wenn überhaupt, war nicht mein Verhalten geschäftsschädigend, sondern seine Art, mit Patienten umzugehen. Aber in diesen Zeiten wird wohl als normal angesehen, dass nicht der Verursacher einer Untat sich zu rechtfertigen hat, sondern, derjenige, der sie öffentlich macht. Ähnlich wie bei Julian Assange. Gleichwohl, eine Klage erfolgte nie. Dann wandte sich der Doktor an Google selbst. Wie er es geschafft hat, deren Aufmerksamkeit zu gewinnen, darüber müsste ich jetzt spekulieren. Jedenfalls kam eines Tages eine Mail von einem Google-Mitarbeiter, der mich um eine Stellungnahme zur Rezension bat. Ich antwortete, dass sie der Wahrheit entspricht und selbstverständlich belegt werden kann. Heute habe ich gesehen, dass Google die Rezension einfach offline genommen hat ...

Es hätte mich jetzt schon sehr interessiert, gegen welche Richtlinie genau diese Rezension denn verstoßen hätte, aber weder kann man nachfragen, noch wird ein entsprechender Link geliefert. Natürlich liegt kein Verstoß vor, es sei denn einer gegen das ungeschriebene Gesetz, dass zahlende Kunden vor negativen Rezensionen zu schützen seien.

Fassen wir zusammen: Gute Rezensionen willkommen, auch wenn sie nachweislich fake sind. Schlechte Rezensionen nicht willkommen, auch wenn sie nachweislich berechtigt sind. Da könnt ihr jetzt gern zu mir sagen: "du bist doch bloß beleidigt, weil jemand deine Rezension gelöscht hat." Wenn es das nur so wäre! Dann hätte ich sicher nicht noch mehr Zeit investiert, um über "verschüttete Milch zu weinen". Ich bin vielmehr der Ansicht, dass so ein Verhalten, wie die großen Konzerne es hier vormachen, gefährlich ist. Umsatz wird um jeden Preis priorisiert. Selbst in kritischen Fällen. Ärzte sind solche kritischen Fälle. Von einem Fehlverhalten dieses Personenkreises können Menschenleben abhängen. Meine Mutter ist wegen eines Traunsteiner Lungen"fach"arztes schon mit 54 Jahren gestorben, der ihren Lungenkrebs so diagnostiziert hat: "Das ist alles Mögliche, aber definitiv kein Tumor." Die aufgrund dieser Fehldiagnose falsche Behandlung schwächte sie so sehr, dass sie - nach einer zweiten Diagnose von einem anderen Arzt - die anschließende Behandlung mit Chemo etc. nicht mehr überlebte. Quacksalber gehören angeprangert! Sicher, Dr. H. hat schon recht, so etwas kann geschäftsschädigend sein. Was Dr. H und andere, ebenso wie die großen Konzerne wie Google aber offenbar nicht begriffen haben: Arzt zu sein ist kein Geschäft! Es ist eine Verantwortung. Und einer Verantwortung hat man sich zu stellen oder sie ist nur ein nichtssagendes Wort!