Polizei - dein Freund und Gegner?
Momentan, geschuldet der Tötung des Schwarzen George Floyd in Minneapolis, kochen die Emotionen bezüglich der Polizei gerade mal wieder hoch. Dies ist sicher nicht das erste Mal, doch jetzt könnte sich tatsächlich etwas ändern. Nicht nur in den USA werden strukturelle Änderungen vorbereitet, die institutionellen Rassismus und Polizeigewalt eindämmen (sollen). Doch schon kommen unsere Law & Order-Politiker aus ihren Löchern und schreien Zeter und Mordio, relativieren die Tat ("Sicher, eine tragische Entgleisung, aber man darf ja auch nicht vergessen, dass dieser Floyd ein notorischer Gewaltverbrecher war") - da wird ganz offen um Verständnis für solche Polizisten geworben. Unfassbar! Wieder andere betonen das hohe Vertrauen, das unsere Polizei genießt und die gute Arbeit, die eine überwiegende Mehrheit von Polizisten leisten, was solche Maßnahmen völlig überflüssig erscheinen lassen soll. Und dann gibt es noch die Extremisten, die, wie das Trampeltier Donald, eine ominöse Antifa für alles verantwortlich macht.
Doch solche Argumentationen sind ebenso fehl am Platz wie eine pauschale Verteufelung der Sicherheitsbehörden. Denn hier geht es nicht um Pro oder Contra in Bezug auf die Polizei! Es geht um ganz konkrete Missstände und um den politischen Willen und die Möglichkeiten, diese in den Griff zu bekommen. Es geht nicht um Schuldzuweisungen oder um Pauschaldiskreditierung.
Welches sind nun diese Missstände?
Kritisiert werden momentan überwiegend drei, der erste gerade etwas weniger als noch vor einige Wochen:
Rechtsradikalismus innerhalb der Polizei und der Bundeswehr
Individueller und/oder institutioneller Rassismus innerhalb der Sicherheitsbehörden
unverhältnismäßige Polizeigewalt, verbunden mit der regelmäßigen Verdunkelung von Missetaten der Staatsdiener
Alle drei Punkte sind Fakten, für jeden davon können mit einer Suchmaschine Dutzende Belege aus seriösen Medien recherchiert werden. Das heißt nun wie gesagt nicht, dass ALLE Polizisten rechtsradikal, Rassisten oder gewalttätig wären. Aber einige sind es. Sie missbrauchen ihre Macht. Das ist menschlich. Dass Macht korrumpiert, wussten schon die alten Römer. Umso wichtiger ist es in einem Rechtsstaat, dass der Missbrauch von Macht durch Exekutivorgane transparent gemacht werden und geahndet werden kann. Es ist nicht nur wichtig, es ist eine essenzielle Voraussetzung für das Funktionieren des Rechtsstaats. Rechtsextremismus hat in der Exekutive nichts zu suchen. Rassismus ebenso wenig. Und den gibt es. Eine schwarze Sängerin, mit der ich lange in einer Band zusammengespielt habe, hatte Angst, mit dem Auto nach München zu fahren, weil sie auf dem Nachhauseweg, nachts, fast jedesmal von der Polizei gestoppt und kontrolliert wurde. Meine letzte Polizeikontrolle fand dagegen vor 30 Jahren im Rahmen einer Terrorismusfahndung in Regensburg statt, insgesamt bin ich in den 40 Jahren, seit denen ich nun über eine Fahrerlaubnis verfüge, dreimal kontrolliert worden. Fremdländisch aussehende Schwäger von mir werden an U-/S-Bahnhöfen im Schnitt zehnmal so oft kontrolliert wie ich. Alles Einzelfälle? Sehr unwahrscheinlich. Das fremdländische Aussehen allein macht bereits verdächtig und das erfüllt eindeutig den Tatbestand des Rassismus. Und wenn dieser in Ausbildungen gelehrt wird, ist er institutionell. Abhilfe tut also not.
Ganz besonders hervorzuheben ist das Problem des Corps-Geistes, das sich stets dort herausbildet, wo Menschen eng zusammenarbeiten und sich unbedingt aufeinander verlassen können müssen. Er ist unvermeidlich und in gewissen Kreisen sicherlich auch nicht ganz unerwünscht. Polizisten haben gemäß diesem Corps-Geist gefälligst nicht gegen ihresgleichen zu ermitteln oder auszusagen. Doch solch Verhalten ist unter rechtsstaatlichen Aspekten fehl am Platz, wenn Vergehen oder gar Verbrechen, die ein Staatsdiener im Dienst begeht, verschleiert werden und die Aufklärung vereitelt wird (und ich sehe unverhältnismäßige Polizeigewalt oder beispielsweise das Einschleusen von Agents Provocateurs in Demonstrationen, die der Polizei einen Anlass liefern sollen, eine Demonstration gewaltsam aufzulösen, mit der Mehrheit der Rechtsexperten als illegal an). Und das geschieht ständig. Nur zwei Prozent aller Anzeigen wegen Staatsgewalt landen vor Gericht, nur ein Prozent führt zu einer Verurteilung. Ein Kläger braucht schon sehr viel Glück, dass es genügend Zeugen / Überwachungskameras gibt, die eine Überreaktion der Polizei dokumentieren konnten, um in einem solchen Prozess Gerechtigkeit zu erfahren. Deshalb wird nur ein kleiner Teil solcher Übergriffe überhaupt zur Anzeige gebracht.
Und das darf nicht sein. Die Polizei darf keine Behörde sein, in der Willkür als ein probates Mittel der Wahl erscheint. Die Polizei dient der Bevölkerung, nicht umgekehrt! Die Polizei hat rechtsstaatliche Prinzipien durchzusetzen, nicht sie zu pervertieren. Somit wiegt das Interesse der Bevölkerung an guter Polizeiarbeit höher als das Interesse der Polizisten auf von der Öffentlichkeit ungestörtes Agieren. Und gerade, wenn man dem Argument folgt (und ich bin mehr als gewillt, das zu tun), dass die überwiegende Mehrheit der Polizisten ihren Beruf anständig und ordnungsgemäß ausübt, der dürfte mit einer dringend nötigen Modernisierung der Sicherheitsbehörden überhaupt kein Problem haben. Denn "gute" Polizisten müssen sich dann nicht mehr gegen ihr Gewissen einem perversen Corps-Geist unterordnen, wenn sie selbst nicht mehr gegen eigene Kollegen ermitteln müssen und bei Aussagen gegen Kollegen keine Nachteile zu gewärtigen haben.
Wer sich gegen solche Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit stellt, muss sich also schon eine Frage nach seiner Motivation gefallen lassen ...