Der Tabubruch des Friedrich Merz
Die Kommentare zum Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik sind sich weitgehend einig darin, dass dieser, gestern mit den Stimmen von Union und AfD verabschiedete Antrag nur Symbolcharakter entfaltet und zunächst keinerlei gesetzliche Wirkung nach sich zieht. Sachlich ließe sich dieser Antrag jetzt leicht analysieren als ein weiterer Rechtsruck der Union, als ein Dokument, das auch Bezug nimmt auf extreme Ereignisse vergangener Tage und Wochen und das Migranten als das ursächliche Problem identifiziert und sie allesamt unter Generalverdacht stellt, mit der Konsequenz, dass die restlichen verbliebenen Fetzen des Asylrechts im Grundgesetz und der Genfer Flüchtlingskonvention nun auch noch beseitigt werden sollen. Man macht es sich einfach, Populismus ist Trumpf. Und ... seien wir uns ehrlich: Friedrich Merz hat mehrfach in seiner Karriere bewiesen, dass er ein unbedingter Verfechter des menschenverachtenden Rechtsaußen-Wirtschaftssystems, welches wir Neoliberalismus nennen, ist ... genau wie die AfD, übrigens, welche ganz offiziell die neoliberalste aller Parteien im Bundestag ist ...
Aber das ginge politisch am Kern der Sache vorbei. Denn es ging der Union mitnichten um konkrete Migrationspolitik. Dieser Antrag war vielmehr ein Testballon, den Friedrich Merz fliegen hat lassen … und der den Test erfolgreich bestanden hat. Merz ist ehrgeizig, er will Kanzler werden und das um jeden Preis. Und er will es bleiben, wenn er es erst mal ist. Und Merz weiß um die Instabilität der Parteien und ihrer Positionen, er kennt ihre Ränkeschmiedereien, er hat aus den Erfahrungen der Ampel gelernt und will eine für ihn möglichst verlässliche Regierungsbasis. Eine Koalition mit möglichst nur einem Partner, eine beherrschbare politische Lösung. Wenn das mit seinen Wunschkandidaten, wie der FDP oder den Grünen geht, gut! Wenn aber nicht, sei es, weil sie zusammen nicht genug Stimmen aufbringen oder sich bei Koalitionsgesprächen „nicht grün“ sind, dann … will er immer noch um jeden Preis Kanzler sein. Selbst mit Hilfe der AfD! Das muss dann gar nicht mal unbedingt per Koalition ablaufen, eine Minderheitsregierung unter Duldung der AfD wäre für ihn durchaus auch akzeptabel. Dass dieser Weg gangbar wäre, genau das hat das Abstimmungsergebnis dieses Antrags ihm gezeigt. Den Tabubruch, als Demokrat mit Anti-Demokrat*Innen zusammenzuarbeiten, nimmt er für seine Ambitionen gern in Kauf. Jetzt fehlt nur noch ein Spruch, wie Franz von Papen ihn abgelassen hat, als er 1933 gesagt haben soll: „In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht!“
Die Erfahrungen von 1933 machen deutlich, dass man Rechtsextremen nicht trauen und sie nicht tolerieren darf, unter keinen Umständen. Gerade Friedrich Merz als Vorsitzender der Partei, deren Vorgängerpartei, die Zentrums-Partei, Hitler erst an die Macht gehievt hat, sollte sich dessen bewusst sein. Sollte!
Für alle Demokrat*Innen war schon vorher klar: „Keine Stimme den Anti-Demokrat*Innen!“ Leider muss man jetzt noch ganz klar hinzufügen: „… und auch keine Stimme für die, die Antidemokrat*Innen zu politischer Macht verhelfen!“ … Der Nachtgedanke von Heinrich Heine erlebt gerade eine ganz neue Aktualität:
„Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht“
Danke, Friedrich!