Interview des Autors mit seiner Protagonistin, der russischen Archäologin / Ägyptologin Irina Markovna

Statt einer Leseprobe: Ein Interview des Autors mit seiner Protagonistin über "Secrets of the Nea'rin, Bd.1: Totenreich":

U.S.: Hallo Frau Markovna, schön, dass Sie sich zu mir gesellen konnten! Darf ich „du“ zu Ihnen sagen?

I.M.:  (lacht) Aber sicher doch. Als mein Schöpfer bist du ja quasi mit mir verwandt.

U.S.: Na, streng genommen ist eigentlich eher Angela (Fleischer) deine geistige Mama, denn die Hauptimpulse für deine Persönlichkeit hat sie gegeben. Allerdings nicht alle. Wenn es nach ihr gegangen wäre, wärest du beispielsweise lesbisch …

I.M.: Was genau wäre daran falsch?

U.S.: Okay, der Punkt geht an dich. Wenn ich auf diese Frage eingehen wollte, müsste ich spoilern, was in Band 2 und 3 der Trilogie noch geschehen wird und das will ich jetzt lieber noch nicht.

I.M.: Einen kleinen Reim kann ich mir durchaus auch jetzt schon machen.

U.S.: Ach Irina, Spekulationen führen nirgendwo hin. Sag mir lieber: Wie fühlst du dich, nachdem du dieses Abenteuer überstanden hast, wider Erwarten sogar lebend?

I.M.: (lacht) Sag du es mir! Du scheinst mir ja nicht eine Sekunde Pause zu gönnen, um mir über meine Gefühle im Klaren zu werden. Das Ende von „Totenreich“ geht ja nahtlos über in die Ereignisse im „Stab des Mose“, dem zweiten Band …

U.S.: Ich bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage. Trotzdem würde ich gerne mit dir über „Totenreich“ sprechen.

I.M.: Gerne. Worüber denn konkret?

U.S.: Über … alles Mögliche. Über dich, über deine Co-Protagonisten Brian und Abdul, wie du zu ihnen stehst, natürlich über deinen Beruf, was dich nach Ägypten verschlagen hat und natürlich auch über die Ereignisse in „Totenreich“. Fangen wir mit dir an! Aber nachdem man eine Dame nie nach ihrem Alter fragen soll …

I.M.: Och, ich habe damit kein Problem. Steht eh in dem Buch …

U.S.: Eben! Du kommst aus Russland.

I.M.: Aus St. Petersburg, richtig. Archäologie hat mich schon seit meiner Kindheit fasziniert und …

U.S.: Lass uns doch da gleich mal einhaken! Archäologie ist ja nicht unbedingt ein Beruf, in dem man ständig Sensationen ausbuddelt. Man arbeitet ja sehr viel mit Kleinteilen, muss manchmal sogar wortwörtlich in der Sch…ße anderer herumwühlen …

I.M.: Stimmt, Entdeckungen wie die von Schliemann oder Carter kommen tatsächlich nur einmal alle paar Jahrzehnte vor. Die Chance, als Archäologe an so einer Entdeckung teilzuhaben, ist geringer als die Chance auf einen Sechser im Lotto. Wer deshalb Archäologe wird, wird sicherlich schwer enttäuscht werden. Nein, in diesem Beruf darf man sich keinen Illusionen hingeben, es ist überwiegend akribische Kleinarbeit gefragt, die nicht unbedingt viel aufregender sein muss als der Beruf eines Briefträgers.

U.S.: Aber immerhin besser bezahlt …

I.M.: (lacht höhnisch) Wer’s glaubt … Ich denke, dieser Beruf kommt meiner Persönlichkeit sehr entgegen. Weißt du, ich bin ein neugieriger Mensch, der gerne beobachtet, wie andere Menschen sich verhalten, wie sie leben, aber ich bin auch jemand, der sich nicht gerne einmischt. Nun ist es aber in der Wissenschaft nun mal so, dass man das, was man beobachtet, damit immer auch verändert. Bei der Archäologie ist dies nicht der Fall. Dadurch, dass mehrere Jahrhunderte oder Jahrtausende zwischen uns und der Entstehung unserer Funde liegen, können wir sehen, wie die Menschen damals gelebt haben ohne befürchten zu müssen, durch unsere Beobachtung unwillentlich Einfluss zu nehmen. Die Ergebnisse sind, sofern wir nicht auf Spekulationen angewiesen sind, unverfälschter als beispielsweise in der Verhaltensforschung, wo die „Studienobjekte“ sich durchaus der Tatsache bewusst sein können, dass sie beobachtet werden.

U.S.: Warum Ägypten?

I.M.: In Ägypten zu arbeiten, ist die Erfüllung eines Traums für sehr viele Archäologen. Es ist quasi die Wiege der menschlichen Zivilisation, beziehungsweise eine ihrer Wiegen und gleichzeitig eine Hochkultur, von der noch sehr viel erhalten ist. Ägypten wird sicher noch für viele Jahrzehnte die Quelle großer Faszination bleiben. Aber als ich Archäologin wurde, war Ägypten für uns russische Staatsbürger ein unerreichbarer Traum. In meiner Jugendzeit gab es noch die Sowjetunion und um im Ausland arbeiten zu dürfen, brauchte man schon eine gehörige Portion Beziehungen, die meine Familie und ich nicht hatten. Als die Grenzen dann unter Gorbatschow durchlässiger wurden, hat mir dies eine Chance eröffnet, die zu nutzen ich wild entschlossen war. Schließlich hat es geklappt.

U.S.: Weil du gut warst?

I.M.: Weil … maßgebliche Leute mich gemocht und mich bei anderen maßgeblichen Stellen weiterempfohlen haben.

U.S.: Aber man wird nicht empfohlen, nur, weil man ein süßes Lächeln hat …

I.M.: Ich hatte Glück …

U.S.: Du hast eine Gabe …

I.M.: Sprich nicht davon, das ist mir peinlich!

U.S.: Du siehst gelegentlich Szenen in deinem Kopf von Ereignissen früherer Zeiten, Szenen, die dir nicht nur einmal gezeigt haben, wo man nach interessanten archäologischen Funden suchen muss.

I.M.: Ich sagte, sprich nicht davon! Hör auf oder ich gehe!

U.S.: Warum nicht? Was ist so peinlich daran? Immerhin wirst du dieser Gabe im zweiten Band dein Leben verdanken!

I.M.: Ach, plötzlich willst du doch spoilern …

U.S.: Reine Notwehr!

I.M.: Also gut. Das, was ich sehe … ich weiß nicht, wie ich es formulieren soll … es passiert rein in meinem Kopf. Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, woher diese Bilder kommen. Ich berühre ein Stück altes Gemäuer oder ein Artefakt und in einem von fünfhundert Fällen bekomme ich plötzlich Visionen von Ereignissen aus längst vergangenen Tagen, Visionen, die immer mit meinen Forschungen in Zusammenhang stehen. Reinhard …

U.S.: … dein Kollege, der mit dir bei den Pyramiden gearbeitet hat …

I.M.: … hat mal gesagt, ich würde während so einer Vision aussehen wie eine Kuh, die während des Wiederkäuens versteinert worden wäre.

U.S.: (lacht) Kein sehr schmeichelhaftes Bild.

I.M.: Stimmt, aber so war er, der Reinhard. Dass ihr ihn sterben habt lassen, fand ich so unfair. Das werde ich euch nie verzeihen!

U.S.: Jetzt spoilerst du!

I.M.: Tschuldige! Jedenfalls, wie gesagt, ich weiß nicht, woher diese Bilder kommen. Vielleicht habe ich eine Antenne für intertemporaldimensionale Energieschwingungen, vielleicht einfach nur eine überbordende Fantasie. Egal, Tatsache ist, dass diese Visionen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse begründen können. Aber Archäologie ist eine Wissenschaft. Wenn ich über meine Visionen spreche, dann mache ich mich vor all meinen Kollegen nur lächerlich. Das verstehst du doch, oder?

U.S.: Jaaaa … aber immerhin, ohne diese Visionen hätte es verschiedene Entdeckungen niemals gegeben! Zählt nicht das Ergebnis?

I.M.: Vielleicht wäre es mir lieber gewesen, wenn manch ein Ergebnis nicht eingetroffen wäre? Aber seit wann fragt ein Autor seinen Protagonisten, was der will!

U.S.: Ähm, ja. Gut! In dem Buch sind im Wesentlichen drei Männer an deiner Seite, erst dein Kollege Reinhard …

I.M.: Danke, dass du mich daran erinnerst …

U.S.: … dann der US-Geheimagent Brian Kelly und der ägyptische Geschäftsmann und Ne’arin-Nachfahre Abdul Nassr. Welcher von denen war für dich der Wichtigere?

I.M.: Wichtig waren alle drei. Reinhard war quasi mein bester Freund, also von den Menschen in diesem Lebensabschnitt.

U.S.: Ihr wart aber nicht „zusammen”, oder?

I.M.: Wir waren Freunde. Wir haben uns gut verstanden, sind ab und an mal einen zusammen heben gegangen und haben uns gegenseitig das Leben erträglicher gemacht. Weißt du, Ägypten hat schon seine schönen Seiten, keine Frage, aber dieses Macho-Gehabe und die Wichtigtuerei gerade seitens der Altertümerverwaltung ist manchmal wirklich schwer zu ertragen. Wer sich da nicht anpasst, fliegt. Für jeden, der geht, finden die ohne Probleme zehn Neue, die kommen wollen. Wenn man ständig gute Miene zum bösen Spiel machen muss, dann ist ein guter Freund für das eigene seelische Gleichgewicht eine unverzichtbare Sache. Deshalb war Reinhard sehr wichtig für mich.

U.S.: Wie alt war Reinhard eigentlich? Ich gestehe, wir haben uns über das Alter jedenfalls keine exakten Vorstellungen gemacht.

I.M.: Er war 33, sah aber deutlich jünger aus.

U.S.: Du siehst aber auch junggeblieben aus! War er eigentlich emotional der Stärkere von euch beiden?

I.M.: Danke! Der emotional Stärkere? Ich weiß es nicht, manchmal schon, glaube ich. Aber er hatte es als Mann in einer Männergesellschaft auch einfacher. Niemand hat es ihm übelgenommen, wenn er sich kämpferisch gab, das hat man von ihm als Mann sogar erwartet. Wenn ich dagegen kämpferisch aufgetreten bin, war immer gleich die Rede von „Rumgezicke“. Man, pardon, frau lernt, gerade in einer Position der Abhängigkeit, entweder schnell, wie weit sie gehen kann oder sie … fliegt raus. Ob ich eine längst überfällige Korrektur der Gesellschaft noch erleben werde?

U.S.: Brian und Abdul. Wer, denkst du, ist in diesem Buch wichtiger für dich.

I.M.: Schwer zu sagen. Wirklich! Durch Abdul habe ich sehr viel gelernt, nicht nur über ägyptische Geschichte und Mythen, sondern auch über mich selbst und über das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Realität.

U.S.: Wie bitte? Letzteres musst du erklären!

I.M.: Die meisten Menschen nehmen sich viel zu wichtig. Ich selbst nehme mich da nicht aus. Wir klammern uns an unsere Erkenntnisse, seien sie wissenschaftlicher, politischer oder zwischenmenschlicher Natur. Wir sehen diese als unsere Basis, anhand derer wir die gesamte Welt beurteilen, beziehungsweise glauben, die gesamte Welt beurteilen zu können. Aber das können wir nicht, weil wir normalerweise nicht in der Lage sind, auch eine andere Perspektive einzunehmen. Das, was aus einer Blickrichtung unmöglich erscheint, mag aus einer anderen aber ganz selbstverständlich aussehen. Wir, jeder von uns, schleppt seine Vorurteile mit sich herum, ohne sich deren bewusst zu werden und trifft mit ihrer Hilfe seine Entscheidungen. Abdul hat mich gelehrt, über den Tellerrand hinauszublicken und dafür bin ich ihm sehr dankbar.

U.S.: Abdul war also eine Art Lehrer für dich?

I.M.: Ich würde sagen, er war mehr als das. Er war auch eine Art Mentor, er hat, ja, ich glaube, das trifft es ganz gut, auch eine Art Vaterrolle eingenommen. Er hat mich beschützt, mich an die Hand genommen wie ein kleines Mädchen und mir Dinge und Zusammenhänge gezeigt, die ich mir nicht vorzustellen gewagt hätte.

U.S.: Warum, glaubst du, hat er sich so verhalten. Eigentlich seid ihr beiden doch natürliche Feinde.

I.M.: Moment, was bitte?

U.S.: Naja, er ist ein Nachfahre eines Angehörigen der geheimnisvollen Ne’arin, einer Elitetruppe der Pharaonen. Die Ne’arin haben unter anderem die wichtigsten Geheimnisse der Pharaonen geschützt und das tun ihre Nachfahren noch heute. Die Existenz des „Totenreich“ ist nur eines dieser Geheimnisse. Es werden noch eine ganze Menge mehr dieser Geheimnisse auftauchen, in die du deine Nase hineinstecken wirst, jedes womöglich spektakulärer und sensationeller als das vorherige. Du bist Archäologin, dein Beruf besteht darin, der Erde genau diese Geheimnisse zu entreißen, die Abdul zu beschützen versucht. Ich würde sagen, da steht ihr beiden in einem massiven Spannungsfeld …

I.M.: Okay. Aber er ist so … vertrauenswürdig. Er ist ein guter und ehrlicher Mensch. Schwer vorzustellen, dass er seine tiefe Menschlichkeit über seine Pflichten als Ne’arin stellen könnte.

U.S.: Ach ja? Schon vergessen, wer dir in der Subterranean Chamber unter der Cheops-Pyramide auf den Kopp gehauen hat?

I.M.: Ja, aber das war, bevor …

U.S.: Und hat er nicht als Ne’arin einen Treue-Eid geleistet? Bist du sicher, dass du ihm vertrauen kannst?

I.M.: Ich gebe zu, im „Totenreich“ hat er meine Hilfe gebraucht, um das Schlimmste zu verhindern.

U.S.: Eben. Was, wenn er in Zukunft nicht mehr auf deine Hilfe angewiesen sein wird? Aber, ich sehe, wir begeben uns auf das Minenfeld der Spekulation. Kommen wir lieber zu Brian, auch ein „Beschützer“. Du hast ja, wie wir gesehen haben, durchaus ein feministisches Bewusstsein. Wie gehst du damit um, wenn ein Autor dir so viele „Beschützer“ mitgibt.

I.M.: Hmm, schwere Frage. Also generell ist der Zustand, dass eine Frau überhaupt einen männlichen Beschützer braucht, um unbeschadet durchs Leben gehen zu können, definitiv ein entwürdigender Zustand. Schlimmer, frau wird da in eine Rolle der Abhängigkeit getrieben, die sie weder will, noch braucht, zumindest nicht in einer emanzipierten Gesellschaft. Das Problem ist aber, dass die Gesellschaft, innerhalb der dieses Buch spielt, in Emanzipationsfragen bei Weitem noch nicht so fortgeschritten ist, wie es wünschenswert wäre.

U.S.: Du sprichst von der ägyptischen Gesellschaft?

I.M.: Auch. Aber nicht nur. Ich spreche auch von den westlichen Industrieländern. Zum Beispiel die US-Amerikaner in dem Buch haben sich mir oder anderen Frauen gegenüber keinen Deut besser verhalten als die Ägypter. Selbst Reinhard, mein bester Freund, ein Deutscher, übrigens, hat immer wieder den Macho raushängen lassen. Nicht bewusst, glaube ich, aber dieser Gedanke der männlichen Dominanz oder vielleicht sogar einer vermeintlichen Überlegenheit ist immer noch tief verwurzelt in der Gesellschaft. Und solange dieser ungute Zustand anhält, solange Machismo die Welt regiert, werden wir Frauen, ob wir das gut finden oder nicht, immer wieder die Hilfe männlicher „Beschützer“ in Anspruch nehmen müssen.

U.S.: Wie würdest du Brian charakterisieren?

I.M.: Auch eine schwere Frage. Er erscheint mir ehrlich, anständig, gerade heraus zu sein. Er ist charmant, gutaussehend, sportlich und nicht ungebildet. Allein, dass er als Amerikaner Arabisch gelernt hat, sagt mir, dass er vielleicht etwas weltoffener ist als der Durchschnitt seiner Landsleute, jedenfalls derer, die ich bis jetzt kennengelernt habe. Aber … er scheint, mit Verlaub, nicht gerade ein besonders tiefschürfender Denker zu sein. Andererseits ist er Geheimagent, wenn auch nicht von der Sorte James Bond.

U.S.: Du wärest überrascht, wenn du wüsstest, welchen Herausforderungen er sich im zweiten Band, im „Stab des Mose“ noch stellen wird müssen …

I.M.: (skeptischer Blick) Was ich damit sagen wollte, Brian ist auch ein wenig undurchsichtig. Man weiß irgendwie nie bei ihm, ob das, was er gerade macht, Show ist oder echt, ob man es, mit anderen Worten gesagt, mit dem Brian im Dienst zu tun hat oder mit der Privatperson Brian.

U.S.: Wie nahe seid ihr euch gekommen?

I.M.: Pfff. Immer diese Fragen aus der Intimsphäre!

U.S.: Du musst diese Frage natürlich nicht beantworten. Aber vielleicht kann ich das Interesse der Leser an intimen Fragen ja befriedigen, indem ich mir eine Szene ausdenke, in der du zum Beispiel völlig nackt in einer U-Bahn-Station zur Rush Hour aufwachst … (Augenzwinkern)

I.M.: Das würdest du nicht wagen!

U.S.: (zuckt mit den Schultern, der Blick zur Decke gerichtet)

I.M.: Also gut. Der Macho hat mal wieder gewonnen! Ja, ich finde ihn attraktiv. Ja, ich mag ihn. Er hat etwas, das man … nicht an jedem Mann findet …

U.S.: Muckis?

I.M.: Die auch. Nein, was ich meine, ist so eine Art Blick, der … dir das Gefühl gibt, jemand Besonderes zu sein. Ach, ich weiß auch nicht, wie ich das beschreiben soll. Ich fühle mich jedenfalls sicher bei ihm, geborgen, wenn du es so formulieren willst.

U.S.: Kannst du dir vorstellen, du … und er …

I.M.: Hmmmm. Eher nicht, glaube ich. Da ist zum einen der Altersunterschied. Er ist immerhin zehn Jahre jünger als ich! Das kann eigentlich nicht funktionieren, oder? Und dann, wie gesagt, sein Beruf. Ich bin noch nicht so ganz schlau aus ihm geworden. Allerdings gebe ich zu, die Vorstellung hat durchaus ihren Reiz.

U.S.: Es gibt da im Buch eine Szene in Wien, wo ihr zusammen nackt in einem Hotelbett übernachtet. Diese Szene habe ich geschrieben und obwohl ich die Worte so gewählt habe, dass offenbleibt, ob ihr nun … oder ob nicht … sind die beiden Lektoren wie auch Angela ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass ihr miteinander geschlafen habt. Als ich die Lektoren auf diesen Umstand aufmerksam gemacht habe, haben sie gelacht und mussten zugeben, dass eine Sexszene aus dem Text tatsächlich nicht hervorgeht, wenn, dann bestenfalls in der Fantasie des Lesers. Wenn ich jetzt ganz ehrlich bin, ich wusste damals selbst nicht, ob oder … ob nicht. Vielleicht kannst du mich ja erhellen. Habt ihr, du und Brian, in dieser Nacht miteinander Sex gehabt?

I.M.: (rollt mit den Augen). Und du und Angela? Habt ihr miteinander geschlafen? Ich denke, das interessiert deine Leser viel mehr, ganz besonders deine … Frau.

U.S.: Du wirst lachen, Irina, Angela und ich sind uns nur ein einziges Mal persönlich begegnet und das war in Anwesenheit meiner Frau. Tut mir leid, wenn ich dich also enttäuschen muss.

I.M.: (skeptischer Blick) Ihr seid euch nur einmal begegnet? Wie konntet ihr dann zusammen einen ganzen Roman schreiben?

U.S.: Im Wesentlichen über das Internet. Wir hatten die Arbeitsdaten und die Texte in der Cloud gespeichert und uns immer, wenn es etwas zu besprechen gab, über SKYPE kontaktiert.

I.M.: Wie schreibt man denn gemeinsam an einem Text?

U.S.: Wir haben die Handlung in Akte aufgeteilt wie in einem Theaterstück. „Totenreich“ hat konkret fünf Akte, auch wenn das nirgendwo explizit steht. Pro Akt gibt es diverse Szenen. Wir haben einfach festgelegt, wer von uns welche Szene schreibt.

I.M.: Und wie habt ihr es geschafft, euren Schreibstil so aneinander anzugleichen, dass der Text sich am Ende liest wie aus einem Guss?

U.S.: Gar nicht. Diese Anpassung ist nicht während des Schreibens selbst, sondern erst beim ersten Korrekturlauf geschehen. Ich habe in Angelas Texten ziemlich viel umformuliert, was ich selbst niemals so sagen würde und Angela hat in meinen Texten dasselbe getan. So kam letztlich ein Mix-Stil heraus, in dem ein wenig von beiden Autoren steckt. Aber, Moment mal, ich soll dich interviewen, nicht umgekehrt! Also, es geht in dem Buch um die Entdeckung des „Totenreichs“. Was kann man sich darunter vorstellen.

I.M.: Nun, die Ägypter waren, wenn man so will, besessen vom Tod. Ihr ganzes Leben drehte sich darum. Sie waren sich durchaus der Tatsache bewusst, dass die Lebensspanne im Vergleich zu der Zeit, während der man nicht lebt, also tot ist, nur ein klitzekleines Augenzwinkern ist. Also haben diejenigen, die es sich leisten konnten, quasi ihr ganzes Leben damit zugebracht, sich auf den Tod vorzubereiten. Ich sage nur ein paar Stichworte dazu: die aufwändigen Grabbauten, sowohl die Mastabas und Pyramiden als auch die Höhlengräber beispielsweise im Tal der Könige brauchten teilweise Jahrzehnte für ihre Fertigstellung. Die Einbalsamierung und Mumifizierung des Körpers nach dem Tod, die aufwändigen Grabbeigaben, die dem Verstorbenen alle mit allen Annehmlichkeiten des Lebens versorgen sollten oder auch das Totenbuch, quasi die „Bibel“ der damaligen Zeit, fast alles, was die ägyptische Kultur landläufig ausmacht, hat mit dem Tod zu tun.

U.S.: Und die Verbindung zum Totenreich liegt wo?

I.M.: Die Ägypter waren zwar nicht die ersten, die das Totenreich, also die Unterwelt, tatsächlich tief unter der Erde vermuteten, aber sie hatten diesen Mythos ausgearbeitet wie keine zweite Kultur zuvor und vermutlich danach. Diese Idee hat sich über die griechische, Stichwort „Hades“, die römische Kultur und das Mittelalter, Stichwort Dante Alighieri, quasi bis in unsere Zeit erhalten. Das Bestehen in der Unterwelt, wo der Verstorbene zahlreiche Gefahren überstehen und sich einer Prüfung unterziehen musste, sicherte quasi das ewige Leben. Das bekam man also nicht automatisch, man musste es sich schon verdienen und sich im Leben wie im Tod auszeichnen.

U.S.: Und du hast diese Unterwelt gefunden.

I.M.: Ich habe den Ort gefunden, den die Ägypter symbolisch als den Haupteingang in die Duat – so nannten sie ihre Version der Unterwelt – identifiziert und verschlossen hatten. Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten, aber dies war beileibe nicht der einzige Zugang zur Duat. Allein in Ägypten muss es dutzende Eingänge in das sogenannte Totenreich geben, nur sind diese als solche nicht unbedingt bekannt.

U.S.: Die Unterwelt gibt es also wirklich?

I.M.: Ich denke, das ist eine Frage der Definition. Wenn du einen Ort meinst, der sich unter der Erdoberfläche befindet, an dem, sagen wir mal, Leben existiert, dann definitiv. Wenn du an einen mystischen Ort denkst, in dem die Geister der Verstorbenen Trinkgelage feiern oder so etwas, dann nein. Bislang hat nichts mich davon überzeugen können, dass es Geister gibt.

U.S.: Trotz der furchtbaren Erscheinungen, denen du ausgesetzt warst?

I.M.: Trotzdem. Ich wusste lange nicht, mit wem genau wir es zu tun hatten, aber dass es Tote oder Untote gewesen sein sollen, habe ich nie geglaubt, nicht eine Sekunde lang.

U.S.: Zum Abschluss eine letzte Frage: Welcher Ort, den du im Lauf dieser Geschichte besucht hast, hat dich am meisten fasziniert.

I.M.: Oh, das waren viele Orte. Schwer zu sagen, wirklich, ich habe immerhin ein Wunder nach dem anderen gesehen. Aber der Ort, an den ich am allerliebsten zurückkehren würde, um ihn weiter zu erforschen, ist definitiv das geheime Archiv der Ne’arin im Sinai.

U.S.: Ich danke dir für dieses Gespräch!

I.M.: Immer ein Vergnügen!